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Schluß mit der Gießkanne

Beim Ringen um die Agenda 2000 geht's nicht nur um Bauern – auch EU-Mittel für Straßen und Gewerbe werden überprüft. Das Ziel: die Fördergelder bündeln  ■ Von Daniela Weingärtner

Die Reizworte „EU-Reform“ oder „Agenda 2000“ haben sich in vielen Köpfen untrennbar mit den Fernsehbildern schimpfender Bauern und dem Plakat einer bebrillten, feuchtschnäuzigen Kuh verbunden, die den Bauernprotest symbolisieren soll. Tatsächlich macht der Agrarhaushalt fast die Hälfte der EU- Ausgaben aus und steht daher ganz oben auf der Liste, wenn es um Reformen und Einsparungen geht. Es gibt aber noch einen zweiten großen Batzen, in den immerhin 35 Prozent der EU-Mittel fließen: die Strukturfonds.

Sie wurden geschaffen, um schwachen Regionen (Regionalfonds) oder ganzen Ländern (Kohäsionsfonds) den Anschluß ans Gemeinschaftsniveau zu erleichtern. Da bietet die EU Finanzhilfen für Straßenbau und Gewerbeparks, aber auch für Dorferneuerung oder Bildung.

Doch ähnlich wie im Agrarbereich hat sich auch hier der Geldsegen verselbständigt und vom ursprünglichen Steuerungszweck entfernt. So ist in den vier Ländern Spanien, Irland, Portugal und Griechenland, die seit dem Edinburgher Gipfel von 1992 Geld aus dem Kohäsionsfonds erhalten, das Pro-Kopf-Einkommen von 67 Prozent des EU-Durchschnittseinkommens (1985) auf 78 Prozent gestiegen. Da zumindest Spanien, Portugal und Irland – so wird argumentiert – mit Aufnahme ins Euroland ihre Reifeprüfung bestanden haben, sollte der Kohäsionsfonds nach Reformvorschlägen der EU-Kommission in der nächsten Finanzperiode von 2000 bis 2006 abgebaut werden.

Spanien, das mit insgesamt 1,5 Milliarden Euro am meisten von diesem Länderfinanzausgleich profitiert hat, will einer Kürzung nur zustimmen, wenn sich zukünftig auch im Agrarhaushalt und bei den Regionalfonds Sparsamkeit durchsetzt. Doch bislang gibt es dafür keine Anzeichen.

Aus den Regionalfonds, die projektgebundene Zuschüsse für wirtschaftlich schwache Gebiete bereitstellen, sollen im Jahr 2006 nach Kommissionsplänen nur noch 40 Prozent der Bürger Geld erhalten. Bisher sind es 51 Prozent. Auch dieses bescheidene Sparziel könnte sich aber angesichts der grassierenden Besitzstandsmentalität als undurchführbar erweisen. Einmal gewährte Subventionen – das zeigt die Agrarpolitik – lassen sich die Mitgliedsländer kaum wieder nehmen.

In Deutschland profitieren vor allem die neuen Länder von der Regionalförderung (siehe Bericht unten). Aber auch Hamburg und Hessen, die zu den reichsten Regionen der EU gehören, bekommen über Sonderprogramme etwas ab. Sollte sich die Kommission mit ihren Reformplänen durchsetzen, wäre es damit vorbei. Nur Regionen, deren Bruttoinlandsprodukt höchstens 75 Prozent des EU- Durchschnitts erreicht, sollen in Zukunft als sogenannte „Ziel-1- Gebiete“ gelten. 70 Prozent der Regionalförderung sollen künftig diesen strukturschwachen Regionen vorbehalten bleiben.

Ostberlin, bislang Ziel-1-Gebiet, müßte aus dem Club ausscheiden. Dessen Bruttoinlandsprodukt pro Einwohner ist auf 80 Prozent des EU-Durchschnitts geklettert. Allenfalls auf „Ziel-2“- und „Ziel-3“-Gelder – jeweils 15 Prozent des Fonds – könnte sich die Bundeshauptstadt dann noch Hoffnung machen. Während die Kriterien für Ziel-2-Gelder (alte Industriezonen und ländliche Gebiete) noch nicht genau festliegen, soll Ziel-3-Geld vor allem in Regionen mit besonders hoher Jugend- und Langzeitarbeitslosigkeit und geringer Frauenbeschäftigung fließen.

Die neuen Länder würden nach den Reformplänen mehr als bisher profitieren. Einzige Bedingung: Euro-Förderung und nationale Förderung müßten Hand in Hand gehen, um die Steuerungskräfte mehr als bisher zu bündeln. Unter den Mitgliedsstaaten ist diese Forderung umstritten, da sie um nationale Spielräume fürchten.

Noch schwerer durchsetzbar dürften aber die Kürzungen im ländlichen Raum sein – in Deutschland wäre vor allem Bayern davon betroffen. Ähnlich wie bei der Agrarpolitik kommt die Bundesregierung auch hier in die Zwickmühle, sobald ihre Rufe nach EU-Haushaltsdisziplin in konkrete Kürzungen umgesetzt werden: Den Euro-Skeptikern in Bayern bietet das neue Munition.

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