: Solidarität und Beschimpfungen
■ Gestern endete die Telefonaktion der Kurdischen Gemeinde. Der Kurdische Elternverein will zusammen mit türkischen Vertretern Schulbesuche machen, doch die türkische Seite sieht keinen Handlungsbedarf
Etwa 30 Anrufe sind das Fazit der Telefonaktion „Berliner fragen, Kurden antworten“, die von Montag bis gestern von der Kurdischen Gemeinde durchgeführt wurde, um Vorurteile abzubauen. „Der Großteil der Anrufe war sachlich und vernünftig“, sagt Kader Alyousef vom Vorstand.
In vielen Gesprächen sei es um „die kurdische Frage“, Kritik an Gewaltaktionen und um die Rolle der Politik gegangen. „Die Presse hat genug geschrieben, Kurden seien tollwütig“, so Alyousef. Doch ein großer Teil der Anrufer habe sich solidarisch mit dem Kampf der Kurden um Selbstbestimmung gezeigt. Andere sprachen von ihrer Angst vor Anschlägen. Einen älteren Mann, der Anschläge in der U-Bahn befürchtete, versuchte Alyousef zu beruhigen, indem er ihm sagte: „Unser Anstand bewahrt uns davor.“
Etwa 15 Prozent der Anrufer aber griffen zum Telefon, um die Kurden zu beschimpfen. „Das waren nationalistische Wirrköpfe“, sagt Alyousef. Da gab es Leute, die sich Hitler zurückwünschten, „andere forderten uns auf, wegzugehen und die Türken mitzunehmen“, erzählt Alyousef. „Wiederum andere Anrufer wollten, daß wir für Ruhe sorgen, wenn sie in die Türkei in den Urlaub fahren.“
Für Ridwan Osman vom Kurdischen Elternverein ist die Aktion trotzdem ein Erfolg. „Die Leute sollen unsere Stimme hören“, so sein Anliegen. Er erzählt von den Anrufen von zwei Vormündern von kurdischen Minderjährigen, die Informationen über das kurdische Neujahrsfest Newroz am 21. März haben wollten. Befürchtungen, daß es zu Auseinandersetzungen an diesem Tag kommen könnte, trat er entgegen. „Dieses Fest steht für Frieden und Freiheit“, sagt der 32jährige, der seit 1989 in Berlin lebt, „die Kurden nutzen diesen Tag nicht für Krawalle.“ Auch wenn am 24. März der Prozeß gegen Öcalan beginnt, rechnet Osman nicht mit Ausschreitungen. „Man kann das natürlich nie ausschließen“, fügt er hinzu, „aber die Wahrscheinlichkeit ist sehr gering.“
Der Anruf eines Pfarrers führte dazu, daß Vertreter der Kurdischen Gemeinde heute nachmittag in einer evangelischen Gemeinde in Zehlendorf vor dreißig deutschen Schülern einen Vortrag über den türkisch-kurdischen Konflikt halten. „Wir wollen noch viel mehr machen, um Vorurteile abzubauen“, sagt Osman. Nachdem es nach seinen Angaben an Schulen zu Auseinandersetzungen zwischen türkischen und kurdischen Schülern gekommen ist, hatte der Kurdische Elternverein dem Türkischen Eltenverein vorgeschlagen, zusammen an Schulen zu gehen, „um zu zeigen, daß politische Differenzen im Gespräch ausgetragen werden können“.
Doch der Türkische Elternverein sieht keinen Handlungsbedarf. „Kein einziger Lehrer, Schul- oder Elternbeirat hat uns irgendwelche Auseinandersetzungen bestätigt“, sagt der Vorsitzende Kazim Aydin. „Wenn wir uns mit Minderheiten zusammensetzen, wird es Äußerungen geben, die dem einen oder anderen nicht gefallen“, ist Aydin überzeugt. Deshalb sollten „keine schlafenden Hunde geweckt werden“. Barbara Bollwahn de Paez Casanova
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