Freitags ist High-Noon

■ Doppelt so viele Beamte und Bundesangestellte wie ursprünglich gedacht werden künftig an den Wochenenden zwischen Berlin und Bonn pendeln

Die deutschen Beamten und Angestellten des öffentlichen Dienstes trotzen allen Unkenrufen, sie seien nicht mobil. „Wir haben uns in der Größenordnung geirrt. Es werden demnächst wahrscheinlich 4.000 Angestellte und Beamte von Bundesbehörden jedes Wochenende hin- und herpendeln“, sagte Bundesbauminister Franz Müntefering (SPD) bei einer Veranstaltung in Berlin. „Es wird schwierig, das in den Griff zu kriegen.“

„Jeden Freitag nachmittag und Montag vormittag ist ,High- noon‘“, sagte ein Sprecher des Ministeriums der taz. Die Wochenendpendler würden dann nach Tegel, Schönefeld und auf die Bahn drängen. Man müsse über flexible Arbeitszeiten nachdenken. „Auch die Zeit im Zug könnte effektiv genutzt werden“, sagte der Sprecher. Zu der Frage, ob die Reisezeit auch als Arbeitszeit angerechnet werden könnte, wollte sich der Sprecher jedoch nicht äußern.

Bislang war der Bund von 2.000 Pendlern ausgegangen. Hinzu sollten 5.000 Verbandsfunktionäre, Lobbyisten und Journalisten kommen, hatte noch im Dezember der Chefredakteur des Behörden Spiegels, Uwe Proll, gemutmaßt. Erweisen sich die neuen Erhebungen auch in der Realität als beständig, müßten Flugzeug und Bahn am Wochendende künftig bis zu 9.000 Menschen von Berlin nach Bonn und zurück transportieren.

Die Beamten und Angestellten des öffentlichen Dienstes bekommen die Tickets für Bahn und Flugzeug vom Bund gestellt. Jedes Wochenende kann eine im Haushalt lebende Person in beliebige Richtung hin- und herfahren oder -fliegen. Die Bahn hat angeboten, sogenannte Sprinterzüge zwischen Berlin und Bonn einzurichten. Sie sollen von Stadt zu Stadt kaum mehr als vier Stunden Fahrzeit benötigen. Um der Logistik Herr zu werden, holt das Bundesbauministerium Angebote bei der Bahn und verschiedenen Fluggesellschaften ein. „Wir schauen uns nach zusätzlichem Fluggerät um“, sagte Müntefering. Das Problem: Die Flugzeuge werden einen Weg voll ausgebucht sein und fast leer zurückfliegen müssen. Das Problem müsse zwar noch erörtert werden, sagte der stellvertretende Sprecher des Bauministeriums. „Doch letztendlich wird das kein Problem sein.“

Beamte und Angestellte des öffentlichen Dienstes wird der Umzug in die Bundeshauptstadt mit verschiedenen „Buschzulagen“ erleichtert. Sie erhalten bis zu sechs Monate lang die Differenz für die zusätzlichen Kosten einer anfallenden doppelten Miete. Ihnen werden Makler- und Speditionskosten erstattet, und sie bekommen für sonstige Auslagen wie neue Gardinen eine einmalige Pauschale. Je nach Familienstand zwischen 140 und 1.900 Mark. Doch auch wenn die Bonner in Berlin bauen wollen, greift der Bund ihnen unter die Arme: Er gewährt ein Darlehn für Alleinstehende von 40.000 Mark, für Ehepaare von 60.000 Mark. Als kleinen Bonbon obendrauf bekommt ein Ehepaar ohne Kinder im ersten Jahr 4.800 Mark, im fünften Jahr 3.200 Mark und im neunten Jahr 1.600 Mark geschenkt. Hat das Ehepaar zwei Kinder, zahlt der Bund 6.000 Mark, 4.000 Mark und 2.000 Mark im Lauf von neun Jahren. Im Bundesbauminsiterium hieß es, man müsse das verstehen, in Berlin sei nun mal alles teurer. Annette Rollmann