: Kultur statt Säcke
Der Güterbahnhof Altona als gigantische Kulturstätte: Ab dem nächsten Sommer sollen sich auf 25.000 Quadratmetern Kultur und Kreative tummeln ■ Von Liv Heidbüchel
Geplant ist viel, entschieden so gut wie nichts. Nur eins steht bislang fest: Bis zum Sommer 2000 soll der Güterbahnhof Altona in der Harkortstraße in einen Kulturbahnhof unter der Schirmherrschaft der Deutschen Bahn umfunktioniert werden.
„Entweder man lagert da Säcke ein, oder man denkt sich so etwas wie den Kulturbahnhof aus“, so der zuständige Verkehrsplaner Frank Wiesner der Immobiliengesellschaft der Deutschen Bahn (DBImm). Wer den Güterbahnhof als Veranstaltungsort für Flohmärkte bereits kennt weiß, daß dort unendlich viele Säcke hineinpassen würden. Immerhin geht es um eine Gesamtfläche von 25.000 Quadratmetern.
Also keine Säcke, statt dessen Kultur. Als Unternehmerin will die Bahn-AG klar auf ihre Kosten kommen. Diesen unternehmerischen Geist vermittelt auch Verkehrsplaner Wiesner, während er gestikulierend von einer Schautafel zur nächsten schreitet. Freundlich lächelnd erklärt der 31jährige, daß sich das Projekt Kulturbahnhof als rentabel erweisen müsse. Nur wenn sich die Sanierungen auf das Notwendigste beschränken, ist der angedachte Mietpreis von 10 Mark pro Quadratmeter durchsetzbar.
Mit dem Notwendigsten meint die DBImm die Schließung der Nordwand, die Erneuerung der Decke, sowie eine umfassende Wärmeisolierung. Wiesner bemerkt dazu, daß man von keinem Mieter erwarten könne, einen acht Meter hohen Raum zu beheizen. Zwei Mietinteressenten, die den Ausführungen des Planungsbeauftragten lauschen, nicken zustimmend – wohl schon in Gedanken die astronomischen Summen ausrechnend, die zukünftig an die HEW zu entrichten wären.
Die Mieteinnahmen für die Bahn wären bei einer vollständigen Auslastung des Güterbahnhofs auch bei 10 Mark nicht ganz unerheblich. Das könne man sich ja mal schnell im Kopf ausrechnen, empfiehlt Wiesner. Allerdings wolle man Mieter, die eine Fläche von 2000 Quadratmetern benötigen, auch nicht abschrecken. Sondertarife sind also keineswegs ausgeschlossen.Wirtschaftlicher Nutzen und Imagepflege lassen sich für die Bahn in diesem Projekt durchaus miteinander verbinden. Das „Unternehmen Zukunft“ macht zur Zeit schließlich eher durch Unfallserien und Stellenabbau von sich reden als durch sein großes Herz für die arme Kunst.
Bei der ganzen Diskussion um die Aus- und Umbaupläne des Güterbahnhof, hat auch die Stadt noch ein Wörtchen mitzureden. Und die stellt sich entschieden gegen eine Nutzung der Fläche durch Großhandelskonzerne, da sie darin eine Konkurrenz für die Altonaer Innenstadt befürchtet. Gegen eine „publikumswirksame Nutzung“, wie Wiesner das Konzept der Bahn umschreibt, hat die Stadt jedoch keinerlei Einwände.
In dem zukünftigen Kulturbahnhof soll die Hamburger Kulturszene zum Zuge kommen: In den beiden Flügelbauten werden voraussichtlich Parzellen entstehen, die von Künstlern genutzt und vom Publikumsverkehr eingesehen werden können. Der Nordteil soll zu einer Mehrzweckhalle umgestaltet werden. Darin könnten sich in Zukunft Aufführungs- und Ausstellungsräume, Gastronomie oder auch eine überdachte Inline-Skate-Anlage befinden.
Bis zum Sommer dieses Jahres will ein Arbeitskreis über den Aus- und Umbau entschieden haben. Außerdem muß er eine Auswahl aus den bislang 80 eingegangenen Bewerbungen um einen Platz treffen. Der Arbeitskreis setzt sich aus Vertretern unterschiedlichster Gremien zusammen, da „ein möglichst breiter Konsens erreicht werden soll“, betont der verantwortliche Verkehrsplaner.
Nicht nur die Stadtentwicklungsbehörde und die Bahn-Gruppe haben das große Sagen, auch Zusammenschlüsse aus dem Bereich Kultur, wie etwa der Dachverband freier Theater und die Hamburger Kurzfilmagentur, sowie zwei Anwohner beteiligen sich an der endgültigen Entscheidungsfindung.
Bis die Bauarbeiten losgehen, kann der Güterbahnhof für größere Veranstaltungen gemietet werden. Von diesem Angebot macht am kommenden Wochenende der cult e.V. Gebrauch. Der Verein, der Anwärter auf einige hundert Quadratmeter des fertigen Kulturbahnhofs ist, wird einen Großteil der Halle nutzen, um das Kunstereignis KB1 steigen zu lassen. Der Titel legt die Vermutung nahe, daß es sich bei dieser Festivität um eine Art Einweihungsparty des Kulturbahnhofs handelt. Ausgestellt werden während des KB1 Rauminstallationen, Schwarzlichtbilder und Dia-Projektionen von Hamburger KünstlerInnen, die Theatermanufaktur macht Theater, die Kurzfilmagentur zeigt Kurzfilme und die Big Balls spielen zum Punk auf. Jede Geschmacksrichtung dürfte vertreten sein, und mit Platzproblemen ist nicht zu rechnen.
Da der Güterbahnhof gen Norden noch offen ist, werden die Organisatoren, wie Uwe Porschen, und ein Teil der Künstler und Künstlerinnen die Exponate rund um die Uhr bewachen müssen. Warme Kleidung ist angesagt.
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