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Klage gegen den Doppelpaß

■ Um das neue Staatsbürgerschaftsrecht zu kippen, will die Union das Bundesverfassungsgericht anrufen. Kritisch äußern sich mittlerweile auch Staatsrechtler und der Bundesausländerbeirat

München/Berlin (dpa) – Die Union will den Kompromiß zum Doppelpaß mit einer Verfassungsklage stoppen. Sollte das von SPD, Grünen und FDP geplante Gesetz ohne eine Änderung des Grundgesetzes beschlossen werden, wolle die CDU/CSU-Fraktion im Bundestag das Bundesverfassungsgericht anrufen, kündigte Fraktionsvize Jürgen Rüttgers (CDU) an.

Verfassungsrechtliche Bedenken gegen das Kompromißmodell äußerten auch Staatsrechtler und Ausländervertreter. Als eine vertane Chance zur Integration wertete der Bundesausländerbeirat die Reformpläne der Regierung.

Rüttgers drohte, die Regierung werde sich zum „zweiten Mal eine blutige Nase holen“. Ein Verfassungsbruch sei der Plan, daß in Deutschland geborene Kinder von Ausländern ihre deutsche Staatsangehörigkeit verlieren sollen, wenn sie bis zum 23. Geburtstag ihre ausländische Staatsbürgerschaft nicht aufgeben. Rüttgers meint, daß es das Grundgesetz nicht erlaube, jemandem die deutsche Staatsbürgerschaft zu entziehen. Darüber hinaus reiche es „nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts für den Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit nicht aus, daß jemand etwas einfach unterläßt“. Sollte jemand seinen ersten Paß nicht abgeben, könne ihm nicht einfach der deutsche Paß eingezogen werden. Deswegen, so Rüttgers, müßten die Gründe für den Verlust der deutschen Staatsbürgerschaft im Artikel 16 des Grundgesetzes „klipp und klar verankert werden“. Eine Änderung des Grundgesetzes ist nur mit Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat möglich. Sie kann also von der Union verhindert werden.

Bedenken äußerte auch der Berliner Staatsrechtsexperte Martin Nettesheim. Im Grundgesetz „ist der Entzug der deutschen Staatsangehörigkeit verboten, ohne daß davon irgendwelche Ausnahmen gemacht werden können“. Nettesheim räumte ein, daß der Verlust „unter bestimmten Voraussetzungen möglich“ verfassungsrechtlich möglich sei. Strittig sei jedoch, ob es sich bei der Regelung in dem neuen Gesetz um einen Entzug oder einen Verlust handele.

Der Vorsitzende des Bundesausländerbeirats, Murat Cakir, sieht die Entscheidung für nur eine Staatsbürgerschaft generell als problematisch an. Auch innerhalb der Familien könne es zu Konflikten kommen. Zudem würden ausländische Kinder im Vergleich zu Kindern aus binationalen Partnerschaften benachteiligt, die zwei Pässe behalten könnten. Cakir vermißte gerade für Ausländer der ersten und zweiten Generation Angebote zur Integration. Die geringere Einbürgerungsfrist von 8 statt bisher 15 Jahren reiche nicht aus und werde die Einbürgerungszahlen nicht wesentlich erhöhen. „Viele wollen ihren Paß als eine Art letzte Rückversicherung behalten, falls zum Beispiel Fremdenfeindlichkeit in Deutschland wieder um sich greift“, sagte er.

Die Berliner Ausländerbeauftragte Barbara John (CDU) forderte ihre Partei auf, die Unterschriftenaktion gegen die doppelte Staatsbürgerschaft einzustellen. Schließlich wolle die Union jetzt einen eigenen Entwurf einbringen. John hatte sich von Anfang an von der Aktion distanziert. Zugleich begrüßte sie den zwischen SPD, Grünen und FDP ausgehandelten Kompromiß zum Staatsbürgerschaftsrecht. Dieser stelle „eine wirkliche Modernisierung des Staatsangehörigkeitsrechts dar“, sagte John.

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