: Kein Sonderweg als Sackgasse
Hamburgs Atomausstieg droht zu scheitern. AKW Brunsbüttel und Stade werden nicht so bald stillgelegt – wenn überhaupt ■ Von Sven-Michael Veit
Hamburgs Anti-Atom-Koalition hat einiges zu klären. Die Kernfrage lautet: Gibt es überhaupt noch eine Chance für den Einstieg in den Ausstieg im Norden?
Am nächsten Dienstag werden die – derzeit fast vollzählig urlau-benden – Spitzen des rot-grünen Senats sowie Parteien und Fraktionen von SPD und GAL sich im Rathaus zu einem seit langem vereinbarten Gespräch über ihren Ausstiegskurs treffen. Und werden feststellen, daß Bundeswirtschaftsminister Werner Müller in ihren Ferien ganze Arbeit geleistet hat. Das AKW Stade „wird stillgelegt, wenn die Restlaufzeit im Jahr 2012 erreicht ist“, hatte Müller am Montag abend vor der Belegschaft des Reaktors erklärt (taz berichtete gestern). Ein „vorzeitiges“ Abschalten werde es nur geben, „wenn der Eigentümer es für nötig hält“.
Rote-grüne PolitikerInnen in Hamburg halten das für notwendig: „Ich erwarte eine klare Distanzierung der SPD von Müller“, erklärte GAL-Parteichefin Kordula Leites gestern gegenüber der taz. Der parteilose Wirtschaftsminister habe sich „in klaren Gegensatz zu den politischen Zielen des Hamburger Senats begeben“, zürnt Michael Pollmann, grüner Staatsrat der Umweltbehörde. Man müsse „in Bonn nachfragen, ob er das wirklich so gemeint hat“, formuliert vorsichtiger Dorothee Stapelfeldt, Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion. Und läßt offen, was passieren werde, wenn Müller meinte, was er sagte.
Was die Worte des Ministers, ehemaliges Vorstandsmitglied des Energiekonzerns Veba, für die rot-grünen Hamburger Ausstiegsträume bedeuten dürften, ist von höchster Brisanz: In dieser Legislaturperiode und wohl noch darüber hinaus wird kein Atomreaktor der Hamburgischen Electricitätswerke (HEW) stillgelegt werden. Das im Koalitionsvertrag formulierte Ziel, „bis 2002/2003“ mindestens ein AKW vom Netz zu nehmen, wird nicht erreichbar sein. Der Hamburger Weg, „keinen Sonderweg“ unabhängig von den Bonner Konsensgesprächen einzuschlagen, dürfte sich als Sackgasse entpuppen.
Denn Bürgermeister Ortwin Runde (SPD) und der grüne Umweltsenator Alexander Porschke hatten im Februar die Weigerung von HEW-Chef Manfred Timm hingenommen, den Vertrag über das AKW Brunsbüttel noch in diesem Jahr zu kündigen. Das wäre Voraussetzung für die Stillegung des Meilers im Jahr 2002. Statt dessen, so verkündeten die beiden, setze man darauf, daß bei den Bonner Konsensgesprächen die baldige Abschaltung des Uralt-Reaktors Stade beschlossen würde. Damit aber, anders lassen sich Müllers Aussagen kaum interpretieren, ist nicht zu rechnen.
„Das wäre auch naiv und unrealistisch gewesen“, kommentiert trocken HEW-Sprecher Johannes Altmeppen. Und spendet zugleich Trost. Es sei ja Konsens, daß keine neuen Atomkraftwerke gebaut würden. Da hätten die Grünen, meint Altmeppen, doch eigentlich „Grund zur Freude“.
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