: „Patientenrechte sind eine Frage der Macht“
■ Fachtagung fordert Berücksichtigung von Patienteninteressen. Patienten fehlt eine Lobby
„Was Patientenrechte angeht, ist Berlin und auch die Bundesrepublik überhaupt ein Entwicklungsland“, sagt Johannes Spatz, der die Plan- und Leitstelle Gesundheit in Hohenschönhausen leitet und ein grünes gesundheitspolitisches Urgestein ist. Damit dürfte er vielen PatientInnen aus dem Herzen sprechen: Wer ist nicht schon mal von einem Arzt abgebügelt, im Krankenhaus nicht richtig aufgeklärt worden?
Um das zu ändern, lud Spatz' Verein „Gesundheit Berlin“ mit der Selbsthilfe-Kontaktstelle „Sekis“ gestern zu einer Fachtagung ins Rathaus Schöneberg ein. Unter dem Titel „Patienten – Versicherte – Verbraucher“ diskutierten PatientInnen und ExpertInnen aus Bereichen wie der Selbsthilfe, dem öffentlichen Gesundheitsdienst und der Wissenschaft über „Möglichkeiten und Grenzen einer angemessenen Vertretung von Patienteninteressen in Berlin“.
Ansätze dazu gibt es viele, doch ausreichend sind sie noch lange nicht. So hat die Verbraucherzentrale eine Patientenberatung an zwei Standorten, es gibt 18 Selbsthilfekontaktstellen, Patientenvertreter in der Ethikkommission und Patientenfürsprecher in den Krankenhäusern. Letztere allerdings werden von den Bezirksverordnetenversammlungen auf Vorschlag der Kliniken gewählt. „Dabei sollen sie im Interesse der Patienten das Krankenhaus kontrollieren“, kritisierte Spatz.
Das Hauptproblem bei alldem: Den PatientInnen mangelt es an einer Lobby, die es mit Ärzten, Krankenhäusern, den Kostenträgern und den Krankenkassen aufnehmen kann. Daß eine solche Lobby vonnöten ist, war auf der Fachtagung unbestritten. Doch wie soll sie zusammengesetzt und legitimiert werden? „Wer spricht hier für wen, das ist die Frage, um die es geht“, brachte Karin Stötzner von Sekis den Konflikt auf den Punkt. Selbsthilfevertreter? Oder ein neu zu gründender Dachverband nach niederländischem Vorbild? Dort gibt es eine Patientengewerkschaft, die auf oberster politischer Ebene mitmischt. Auch in einem anderen Punkt könnten die NiederländerInnen Vorbild sein: Bei ihnen gibt es seit 1995 ein Patientenschutzgesetz.
„Neben einer Lobby brauchen wir eine stärkere rechtliche Absicherung“, forderte denn auch Stötzner. Die OrganisatorInnen der Tagung hoffen dabei auf Rückendeckung von der neuen Bundesgesundheitsministerin Andrea Fischer (Grüne), die die Stärkung der Patientenrechte in ihr sogenanntes Eckpunktepapier zur Gesundheitsreform aufgenommen hat. Spatz: „Der Rückenwind aus Bonn tut uns gut, schließlich ist die Durchsetzung von Patientenrechten eine Frage der Macht.“ Sabine am Orde
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