: Datenschutz wird oft mißachtet
■ Landesdatenschutzbeauftragter rügt Behörden und Firmen. Ämter und Polizei über Gebühr speicher- und weitergabefreudig. Datenschützer in Großbetrieben nur zur Mängelverteidigung
Der Landesdatenschutzbeauftragte Hansjürgen Garstka hat massive Kritik an den Berliner Behörden geübt und Änderungen im Bundesdatenschutzgesetz angemahnt. Ob bei der Speicherung von Personendaten bei der Polizei, der Überprüfungs- und Weitergabepraxis in Ämtern oder bei der Einsetzung von behörden- oder firmeninternen Datenschützern – in seinem gestern vorgestellten Jahresbericht stellt Garstka in 105 aufgelisteten Einzelrubriken teils gravierende Mängel fest.
Kritik übte Garstka etwa an den Standesämtern, deren Bedienstete seit Sommer 1998 zwar die Daten der Ehekandidaten überprüfen dürfen, wenn Tatsachen für eine sogenannte „Scheinehe“ sprechen. In Berlin sei hingegen Praxis, daß „jeder Fall überprüft wird, wo der Standesbeamte auch nur einen Verdacht hegt“.
Ähnliches beim Beispiel „Sozialamtsfalle“: Mitarbeiter der Sozialämter teilen den Ordnungshütern mit, wann ein polizeilich gesuchter Sozialhilfeempfänger seinen nächsten Termin hat, um ihn dort festzunehmen. Das nach Meinung Garstkas „rechtstaatlich problematische“ Verfahren ist aber inzwischen durch Bundesrecht legitimiert, so daß den Datenschützern nur die „kritische Beobachterrolle“ bleibe.
Besonders kritisierte Garstka den Umgang der Polizei mit personenbezogenen Daten. Die Daten von 3,3 Millionen Menschen sind derzeit in einer Datei zur vorbeugende Verbrechensbekämpfung erfaßt, ob als Opfer, Täter oder Zeuge. Lediglich 80.000 Berliner wurden im Sommer letzten Jahres informiert, länger als fünf Jahre im Polizeicomputer gespeichert zu sein. Die erst 1992 eingeführte gesetzliche Verpflichtung der Polizei, den Betroffenen nach Überschreitung der Fünfjahresfrist über eine weitere Speicherung in Kenntnis zu setzen, wird mit der von CDU und SPD für das Frühjahr angesetzten Novellierung des Berliner Polizeigesetzes (ASOG) wieder gestrichen. Roland Gewalt, innenpolitischer Sprecher der CDU, begründete dies mit dem „riesigen Verwaltungsaufwand gegenüber einem geringen Bürgerinteresses“. Wie viele Bürger nach ihrer Benachrichtigung Einsicht oder Löschung ihrer Daten gefordert haben, wissen weder die Abgeordneten, noch der Datenschutzbeauftragte. Der bedauert die Linie der Koalition, fürchtet um weniger Transparenz der Polizei und sieht „keinen Grund, diese Daten so lange zu speichern“. Dem schließen sich auch PDS und Grüne im Abgeordnetenhaus an, die den Wegfall des entsprechenden ASOG-Absatzes noch verhindern wollen.
Auch die Privatfirmen kritsierte Garstka. So würden die „internen“ Datenschutzauftragten – die ab einer bestimmten Firmengröße Vorschrift sind – nicht zur Bekämpfung datenschutzrechtlicher Mängel eingesetzt, sondern dafür „mir gegenüber diese Mängel zu rechtfertigen“, so Garstka. Christoph Rasch
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