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Wer gedenkt wie und wo?

Die „Topographie des Terrors“ hat in der Denkmallandschaft Berlins eine besondere Bedeutung. Jetzt droht der Konflikt mit dem geplanten Holocaust-Museum  ■ Von Rolf Lautenschläger

Wann immer in Berlin die Rede auf Gedenkorte zum nationalsozialistischen Terror kommt, bestimmt das geplante Holocaust- Mahnmal die Debatte. Ins Hintertreffen geraten dadurch nicht nur das fertiggestellte Jüdische Museum und die offene Frage, mit welchen Exponaten es ausgestattet werden könnte. Fast vergessen ist auch der Umstand, daß mit der „Stiftung Topographie des Terrors“ in Berlin bereits ein Dokumentationszentrum besteht und diese Institution ein neues Gebäude an der Wilhelmstraße erhält.

Der lange rechteckige Bau für das 45 Millionen Mark teure Haus auf dem Areal des früheren Palais Prinz Albrecht, in dem die Gestapo, das Reichssicherheitshauptamt und die SS sich einquartiert hatten, ist weit fortgeschritten. In diesem Monat soll mit der Aufstellung der Fassade begonnen werden – einem filigranen Stabwerk aus Stahlbeton und Glas, das der Schweizer Architekt Peter Zumthor als Symbol einer kalten, „abstrakten Gebäudehülle“ sieht, die nichts beschönigt. Am Ort des Terrors und der Planung des Holocaust, so Zumthor, kann es keine Schnörkel geben.

Damit die Besonderheiten des Baus in der Gedenk- und Mahnmallandschaft Berlins nicht aus dem Bewußtsein verlorengehen, hatte die Akademie der Künste am Mittwoch abend zu einer Vortragsreihe geladen. Das „Bauen am Ort der Täter“, so der Titel der Veranstaltung, sollte das außergewöhnliche Konzept des schmalen Gebäuderiegels in die Erinnerung rufen. Zugleich konnte Zumthor erklären, wie sich das Haus mit dem historischen Ort auseinandersetzt und welche Nutzung es einmal erhalten wird: nämlich als Dokumentations-, Begegnungs- und Ausstellungszentrum, Lehr- und Forschungsstätte über den Nazi-Terror, die Geschichte zentraler nationalsozialistischer Schaltstellen, die Täter und deren Opfer.

Daß genau dieser Anspruch in Konfrontation mit dem geplanten „Haus der Erinnerung“ neben dem Holocaust-Mahnmal, der möglichen Sammlung des Jüdischen Museums und anderen Institutionen wie etwa der Wannsee- Villa treten könnte, stellte Reinhard Rürup, Direktor der „Topographie des Terrors“, fest. Zwar sei klar, daß Zumthors Ausstellungsgebäude am „historischen Ort der Täter“ eine andere Funktion in der Reihe der Berliner Erinnerungstopographie einnehmen werde als andere Denkmäler und Gedenkstätten, die sich der Opfer annehmen. „Aber in einer Situation, in der über die Pläne des Holocaust- Museums in Verbindung mit dem Mahnmal lebhaft diskutiert wird“, müsse darüber Klarheit geschaffen werden, damit die zahlreichen Institutionen nicht in einen Wettbewerb gegenseitiger Konkurrenz treten müßten. Aufgaben, stellte Rürup fest, die die Topographie wahrnehme, könnten weder zum Thema eines Holocaust-Museums, wie es der Staatsminister für Kultur, Michael Naumann, befürwortet, noch anderer Häuser werden.

Der mögliche Streit um Dokumente, Ausstellungskonzepte, die Deponierung der Shoah Foundation oder des Leo-Baeck-Archivs ist dennoch wie vorprogrammiert. Nach Zumthors Vortrag über das Ziel des neuen Gebäudes als „Denkort und Lernort“ über die Diktatur des Nazi-Regimes wird deutlich, daß Überschneidungen unausweichlich scheinen. Ebenso wie das „Haus der Erinnerung“ will die Topographie über die „Terror-Institutionen und die von den Nazis begangenen Verbrechen informieren“. Zugleich sollen in wissenschaftlichen Einrichtungen Dokumente über die Planung und den Verlauf des Massenmordes an Soldaten und Zivilisten in der Sowjetunion gesammelt und verfügbar gemacht werden. Daß darüber hinaus ein Schwerpunkt der Topographie auf dem Aspekt internationalen Austauschs liegen wird, kollidiert außer mit dem Holocaust-Dokumentationszentrum auch mit der Absicht des Jüdischen Museums, dort neben Ausstellungen auch Forschungs- und Begegnungsstätten einzurichten.

Zumthors neuer Bau, der die „Menschen aufnehmen soll“ und diese in seiner „spezifischen Art mit einem Ort des Schreckens“ konfrontiert, könnte jedoch auch eine Lösung des Dokumentationsstreits beinhalten. György Konrád, Präsident der Akademie der Künste, nahm in seinem Beitrag gewissermaßen diesen Ball auf und verlängerte ihn. „Jeder Stein“ oder jedes Bauwerk könne wegen seines eigenen Charakters über seine besonderen Geschehnisse Zeugnis ablegen. Der Bau am Ort der Täter anders als das Holocaust-Mahnmal oder das Jüdische Museum. Dazu ist Toleranz nötig, ein Ziel, das alle Einrichtungen auf ihre Fahnen geschrieben haben.

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