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Europaweit Bauernpower in Sachen Faserhanfanbau

■ 1998 wurde in der EU auf 42.000 Hektar Hanf angebaut, soviel wie seit Jahrzehnten nicht mehr. In Osteuropa ist die Hanfproduktion in den letzten 10 Jahren nahezu völlig zusammengebrochen

„Der Bedarf der Automobilindustrie an Hanffasern wird sich in den nächsten fünf Jahren voraussichtlich verzehnfachen“, sagt Michael Karus, Leiter des nova-Instituts in Hürth bei Köln. Das nova- Institut ist das bedeutendste wissenschaftliche Institut in Sachen Hanf in Deutschland. „Der Einsatzbereich für Hanffasern wird kontinuierlich ausgeweitet.“ Fast logisch, daß die Anbaufläche für (THC-freien) Nutzhanf in Deutschland im Jahr vier nach der Wiederzulassung weiter zunehmen wird. 1998 waren es etwa 3.600 Hektar, 1997 rund 2.800 Hektar und 1996 erst 1.400 Hektar. „Dieses Jahr wird voraussichtlich die 4.000-Hektar-Marke überschritten“, so Karus. „Alle Bauern in Deutschland brauchen eine Abnahmegarantie für ihre Ernte, um die EU-Flächenbeihilfe zu erhalten.“

In der EU kam der Hanfanbau letztes Jahr mit insgesamt 42.000 Hektar Anbaufläche auf seit Jahrzehnten unbekannte Größen – sogar in Finnland wird die vielseitige Kulturpflanze mittlerweile angebaut. Zum Vergleich: 1997 lag die Anbaufläche bei 23.000 Hektar, vor rund zehn Jahren erst bei 2.700 Hektar. Der letztjährige Anstieg resultiert hauptsächlich aus der starken Erweiterung der Anbauflächen in Spanien. Da in Spanien jedoch bisher kein Verwertungsnachweis erbracht werden muß, wurden dort letztes Jahr große Teile der Ernte nicht industriell verwertet, sondern einfach nur wieder untergepflügt oder verbrannt und die Förderprämien kassiert. „Ab der Aussaat 1999 muß auch in Spanien für Hanf ein Verwertungsnachweis erbracht werden“, erläutert Karus.

In Deutschland kann beim Hanf mit sechs bis neun Tonnen Stroh und einem Faserertrag von 1,5 Tonnen pro Hektar gerechnet werden. In anderen Ländern ist die Quote wesentlich niedriger. In Spanien liegt der Strohertrag bei nur zwei Tonnen pro Hektar.

Nach einer Schätzung des nova- Instituts wurden aus der 98er Hanfernte der EU insgesamt etwa 35.000 Tonnen Hanffasern produziert. Der größte Hanffaserproduzent in der EU ist Frankreich mit 20.000 Tonnen jährlich, danach folgen die Niederlande, Spanien, Großbritannien und Deutschland. Hanffasern aus EU-Anbau werden nahezu ausschließlich im technischen Bereich eingesetzt, der Bekleidungs- und Heimtextilbereich spielt keine Rolle. Dieser Sektor wird mit Importen aus China und Osteuropa gedeckt.

Derzeit wird ein großer Teil der Hanffasern mit sogenannten Hammermühlen gewonnen, vor allem in Frankreich und Spanien. Mit dieser technisch relativ simplen Methode können nur Fasern für die Spezialzellstoffindustrie hergestellt werden. 1998 betrug der Anteil dieses Einsatzgebietes für Hanffasern 94 Prozent. Spezialzellstoff wird für die Produktion von Zigarettenpapier und technischen Filtern verwendet.

„Mit den neuen Anlagen, wie sie beispielsweise derzeit in Deutschland erbaut werden, wird eine vielseitigere Fasernutzung verfolgt“, erläutert Karus. „Ziel ist, eine vliesfähige Faser für technische Zwecke als wichtigste Zielfaser zu produzieren.“ Nach einer Schätzung des nova-Instituts wird der Anteil der neuen technischen Einsatzgebiete – Vliese, Filze und faserververstärkte Kunststoffe – von sechs Prozent 1998 auf zehn Prozent in diesem Jahr steigen.

In Osteuropa ist die Hanfproduktion nach dem Wegfall des sowjetischen Absatzmarktes in den letzten zehn Jahren nahezu völlig zusammengebrochen. „In Rumänien, Polen und Ungarn werden insgesamt nur noch etwa 5.000 Hektar Hanf angebaut“, so Karus. In den achtziger Jahren wurden allein in Rumänien jährlich rund 40.000 Hektar Hanf angebaut. Volker Wartmann

Das nova-Institut hat eine Datenbank für die Hanfwirtschaft und alle Interessierten aufgebaut. Infos und Anmeldung: nova-institut GmbH, Stichwort Hanfwirtschaftsdatenbank, Goldenbergstr. 2, 50354 Hürth, Fon: 02233-943684, Fax: 02233-943683, Ansprechpartner: Thomas David

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