: Surfen auf der Mikrowelle
Die Idee, getrennte Welten zu verschmelzen, ist der Trend auf der diesjährigen High-Tech-Messe Cebit. Auch die Telekommunikation mischt munter mit ■ Aus Hannover Jens Uehlecke
Wer bislang geglaubt hat, Kochen und Internet-Surfen seien zwei grundsätzlich verschiedene Dinge, wird auf der Cebit '99 eines Besseren belehrt: Die wohl kurioseste Neuheit auf der Hannoveraner High-Tech-Messe ist eine von NCR entwickelte Mikrowelle mit integriertem Internet-Computer. Die Frontscheibe wurde einfach gegen einen Touchscreen ausgetauscht, mit dem der Benutzer – natürlich auch, während er Tiefkühlkost oder das Essen von gestern aufwärmt – durch das Netz der Netze surfen, E-Mails schreiben oder seine Bankgeschäfte online erledigen kann. Ob sich das Gerät als Verkaufsknüller erweisen wird, bleibt abzuwarten. Doch die Idee, getrennte Welten miteinander zu verschmelzen, ist der Trend auf der diesjährigen Cebit.
Etwa in der Telekommunikation: Nach der Preisschlacht in den vergangenen Monaten besinnt sich die Branche nun auf neue Ideen und Produkte. Viag Interkom zum Beispiel vereinigt Festnetz- und Handytelefonie. In der neueingeführten „homezone“ rund um die Wohnung des Kunden sollen Mobiltelefonate zukünftig nur noch zum Festnetzpreis abgerechnet werden. Wer mit seinem Handy also zu Hause oder in der direkten Umgebung des Eigenheims telefoniert, spart die teuren Mobilfunkgebühren. Ein zusätzlicher gewöhnlicher Festnetz-Anschluß wird dadurch zumindest theoretisch überflüssig. Die neugewonnene Mobilität kostet allerdings rund 35 Mark im Monat.
Einen Schritt weiter geht die Deutsche Telekom mit „PCS“ (Pesonal Communication Services): Für 79 Mark im Monat können Kunden des rosa Riesen ISDN- und D1-Anschluß im Paket anmelden. Die Vorteile: Neben einer niedrigeren Grundgebühr sind beide Anschlüsse über eine einheitliche Rufnummer erreichbar. Ab Sommer 1999 soll PCS die beiden Technologien sogar in einem Telefon vereinigen. Ein spezielles „Dual-Mode“-Handy, unter anderem als Prototyp bei Ericsson zu bewundern, fungiert zu Hause oder im Büro als ISDN-Funktelefon, unterwegs als Handy.
Die dritte Ehe vollzieht das Mobiltelefon mit dem Internet. Möglich macht das ein neuer Standard, das „Wireless Application Protocol“ (WAP): Durch eine Art Dolmetscher-Chip ist die neueste Handy-Generation in der Lage, bunte Internet-Seiten in eine auf den kleinen Displays darstellbare Sprache zu übersetzen. Die ersten surffähigen Geräte sind bei Nokia, Panasonic und Alcatel zu sehen. Philips zeigt als Weltpremiere das Wristphone, ein Internet-Handy in Form einer Armbanduhr.
Auch wenn auf der Cebit eher neue Produkte und Dienste im Rampenlicht stehen, dreht sich auf dem deutschen Telefonmarkt hinter den Kulissen die Preisspirale weiter: Auf die jüngste Preissenkung der Telekom reagiert zunächst nur Mannesmann Arcor. Der Eschborner Konzern senkt die Minutenpreise für Ferngespräche in der Nebenzeit ab 21 Uhr um 40 Prozent auf sechs Pfennig. Otelo senkt seine Gebühren nur tagsüber, ab April werden hier nur noch 15 Pfennig pro Minute fällig. Viag Interkom und Talkline sehen vor allem in der Tarifzeit ab 21 Uhr keine Spielräume mehr für weitere Preissenkungen. Talkline-Sprecherin Susanne Fiederer: „Mit neun Pfennig die Minute ab 21 Uhr ist bei uns die Grenze der Wirtschaftlichkeit erreicht.“ Damit gehört die Exmonopolistin Telekom abends fortan zu den günstigsten Anbietern im Markt. Das gilt auch für Ortsgespräche im T-Mobilnetz. Ab dem 3. Mai soll der Preis für eine Gesprächsminute innerhalb einer Stadt auf 29 Pfennig sinken. Nutznießer werden vor allem Privatkunden sein, die sich überwiegend an ihrem Wohnort aufhalten oder vor allem am Wochenende zum Handy greifen. Geschäftskunden profitieren davon, daß die Minutenpreise tagsüber von 68 auf 57 und von 99 auf 79 Pfennig reduziert werden. Für Unternehmen mit mindestens fünf Handys sollen neue, günstigere Preismodelle angeboten werden. Die Konkurrenz schläft allerdings nicht: Bei Mannesmann D2 privat kostet die Minute für Vieltelefonierer rund um die Uhr nur noch 39 Pfennig.
Internet-Surfer können sich über niedrigere Preise beim Mobilcom-Angebot „Freenet“ freuen: Mit einem Minutenpreis von fünf Pfennig inklusive Telefongebühren übernimmt der norddeutsche Anbieter nach der Cebit wieder die Preisführerschaft unter den Providern.
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