: „Star Wars Lite“
■ Der US-Kongreß beschließt ein neues Raktenabwehrsystem
Was Senat und Repräsentantenhaus diese Woche be schlossen haben, ist nicht „Star Wars“, aber viel ver nünftiger ist es auch nicht. Die USA sollen sobald wie tech nisch möglich ein Raketenabwehrsystem zum Schutz Ameri kas aufstellen, fordern beide Kammern des Kongresses in leicht unterschiedlichen Resolutionen. Das ist nicht Ronald Reagans Vision einer weltraumgestützten Flotte von Killer satelliten, die mit Laserstrahlen ganze Raketenschwärme wegzappen – dies wurde als zu teuer und unpraktikabelauf gegeben, sondern eine viel primitivere Technik. Sie gleicht dem Versuch, mit Gewehren auf Gewehrkugeln zu schießen, nur daß Raketen mit zirka 30.000 km/h viel schneller als Ku geln sind und daß von 15 Tests bisher 13 fehlgeschlagen sind.
Der Aufbau eines landgestützten nationalen Raketenabwehrsystems steht wieder auf der politischen Tagesordnung, seit der Rumfeld-Report im vergangenen Jahr eine wachsende Bedrohung seitens Nord-Koreas und Irans feststellte. Pjöngjang zündete letztes Jahr eine Mittelstreckenrakete. US-Präsident Clinton gab seine bisherige strikte Opposition gegen ein Raketenabwehrsystem auf und so brach die Front der Kritiker unter den Demokraten zusammen.
Die Kritiker argumentieren nicht nur mit den technischen Schwierigkeiten und den 10,5 Milliarden Dollar Kosten für die Entwicklung des Systems in den nächsten sechs Jahren. Das Raketenabwehrsystem verletzt möglicherweise auch den 1972 mit der Sowjetunion unterzeichneten ABM-Vertrag zur Rüstungsbegrenzung. Im Unterschied zum Iran, Irak, Nord-Korea und Pakistan hat Rußland Tausende von Interkontinentalraketen mit atomaren Sprengköpfen. Bisher war eines der wichtigsten Ziele der US-Außenpolitik die Vernichtung dieses Potentials. Moskau aber wird die Entscheidungen dieser Woche als Zeichen werten, daß die USA an Abrüstungsverhandlungen nicht mehr interessiert sind. Die Gefahr, die vom russischen Potential ausgeht, ist weit größer, als die von der noch in den Kinderschuhen steckenden Raketen kleinerer Staaten. Auch China hat Interkontinentalraketen mit Mehrfachsprengköpfen. Sie würden das Raketenabwehrsystem unterlaufen, weil kein System Dutzende anfliegender Sprengkörper abwehren kann. China ist auch deshalb gegen die Entwicklung des US-Raketenabwehrsystems, weil die gleiche Technik auch einem Gefechtsfeldabwehrsystem (Theater Missile Defense) zugute käme, dessen Stationierung Peking auf Taiwan befürchtet.
Die Resolutionen des Kongresses, von denen die des Senats ausdrücklich Luft für Verhandlungen mit Rußland läßt, heißen noch nicht, daß das Raketenabwehrsystem auch wirklich aufgestellt wird. Die Entscheidung fällt der Präsident im Juni 2000 kurz vor den nächsten Wahlen. Peter Tautfest
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen