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Kosovo an der Schwelle zum Krieg

■ Alle 1.400 OSZE-Beobachter verlassen nach dem Scheitern der Pariser Konferenz die Provinz. Die Außenminister Cook und Védrine sehen keinen Anlaß, weiter zu reden. Rußland warnt die Nato erneut vor Luftangriffen auf Serbien

Paris/Priština (AFP/AP/dpa/taz) – Nach dem Scheitern der Pariser Friedenskonferenz und angesichts möglicher militärischer Auseinandersetzungen zwischen der Nato und jugoslawischen Streitkräften im Kosovo ziehen Vertreter internationaler Organisationen aus der Provinz ab. Gestern ordnete die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) die Evakuierung ihrer Beobachter an. Dies erhöht die Gefahr weiterer schwerer Auseinandersetzungen zwischen Serben und Kosovo-Albanern.

Der Abzug der 1.400 Mitglieder der Überwachungsmission der OSZE soll heute beginnen. Am Sitz der OSZE in Wien wurde nicht damit gerechnet, daß dazu die Hilfe der 2.600 Mann starken in Makedonien stationierten Notfallschutztruppe der Nato benötigt würde. Deutschland, die USA und mehrere andere europäische Staaten forderten ihre Bürger zum Verlassen Jugoslawiens auf und warnten vor Reisen dorthin. Auch Botschaftspersonal und Angehörige wurden abgezogen.

Zuvor hatte die Balkan-Kontaktgruppe die Kosovo-Friedenskonferenz auf unbestimmte Zeit vertagt. Frankreichs Außenminister Hubert Védrine und sein britischer Amtskollege Robin Cook, die beide die Konferenz geleitet hatten, erklärten gestern, „daß es keinen Anlaß gibt, die laufenden Diskussionen fortzusetzen“. Die serbische Delegation habe die im Februar ausgehandelten Vereinbarungen in Frage gestellt.

Jugoslawien, das in den letzten Tagen zusätzliche Soldaten und Gerät ins Kosovo gebracht hat, wurde vor jeder militärischen Offensive dort gewarnt. Auch wurde mit „schwersten Konsequenzen“ gedroht, falls es gegen die in der Krisenprovinz stationierten OSZE-Beobachter vorgehe. Der russische Kosovo-Vermittler Boris Majorski sagte im Fernsehen, der Vertragstext sei ohne Einbeziehung Rußlands und der Serben noch geändert worden. Der serbische Präsident Milan Milutinović erklärte, die Unterschrift der Kosovo-Albaner sei Schwindel. „Was wir hier gesehen haben, ist eine Art Aufführung.“ Védrine und Cook kündigten Konsultationen mit den Partnern und Verbündeten an, „um zum Handeln bereit zu sein“. Deshalb müsse jetzt die Nato beraten, ob sie ihre Drohung mit Luftangriffen wahr macht. Rußland drohte mit einem Einfrieren der Beziehungen zur Nato bei Luftangriffen.

Unterdessen warnte das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) vor einer „Spirale von Gewalt, Furcht und Vertreibung“ im Kosovo. Zu Tausenden hätten Kosovo- Albaner erneut ihre Häuser verlassen, nachdem die jugoslawische Armee neue Truppen in die Provinz gebracht und mehrere Dörfer beschossen habe, sagte UNHCR-Sprecherin Judith Kumin.

Nach UNHCR-Schätzungen sind 100.000 Menschen seit Ende Dezember, als die Kämpfe wieder aufflammten, vertrieben worden. Davon flohen allein 60.000 Ende Februar. Zur Zeit beträgt die Zahl der Vertriebenen innerhalb der Provinz Kosovo 240.000. Tagesthema Seite 3

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