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Zu Lasten der PatientInnen

1200 Hamburger Krankenschwestern und ÄrztInnen protestieren gegen Stellenkürzungen und neue Arbeitszeitregelungen  ■ Von Heike Haarhoff

Die „Hoffnungen“, die mit dem Wechsel an der Spitze des Bundesgesundheitsministeriums verbunden waren, „haben sich zerschlagen“. Die Krankenschwester zuckt die Schultern. Ob der Gesundheitsminister wie einst Horst Seehofer heiße und von der CSU komme oder wie heute eine Grüne namens Andrea Fischer sei: „Gekürzt wird immer – auf unsere Kosten und die der Patienten.“ Dann steckt sie ihre rote ÖTV-Trillerpfeife in den Mund und stimmt in das Protestkonzert ein.

1200 Beschäftigte aus Hamburgs 39 Krankenhäusern – ÄrztInnen, PflegerInnen und MitarbeiterInnen der Verwaltung – versammelten sich gestern nachmittag mit Fahnen und Transparenten vor der Zentrale des Landesbetriebs Krankenhäuser (LBK), um ihren Protest gegen die geplanten Stellenkürzungen und neuen Arbeitszeitregelungen kundzutun. Dazu aufgerufen hatten die Gewerkschaften DAG und ÖTV. Was die Arbeitgeber durchsetzen wollten bei den bundesweiten Krankenhaustarifverhandlungen, die heute in Potsdam fortgesetzt werden, sei eine „Frechheit“, ein „Schummelpaket“.

Ärzte und Pflegepersonal sollen künftig länger arbeiten, kürzere Pausen haben und zudem Wechselschichtzulagen, Zeitzuschläge und Urlaubs- und Weihnachtsgeld gestrichen bekommen. Eine ausgebildete Krankenschwester, die derzeit rund 4200 Mark brutto im Monat verdient, müßte dann mit monatlich 500 Mark weniger auskommen. „Die Schmerzgrenze ist erreicht“, dröhnte ÖTV-Bezirksleiter Wolfgang Rose und warnte vor einem „langen Arbeitskampf“.

Der Geschäftsführer der Hamburgischen Krankenhausgesellschaft (HKG), Jürgen Abshoff, erklärte, den Arbeitgebern gehe es „nicht um Mehrarbeit, sondern um die Einführung flexiblerer Arbeitszeiten und Arbeitszeitkonten“. Die derzeit geltenden Zuschlagsregelungen seien ohnehin „nicht für Krankenhäuser konzipiert worden“, fand HKG-Vorstand Heinz Lohmann; die „Anpassung“ der Tarife an die Krankenhauswirklichkeit sei „überfällig“. Was das bedeutet, machte eine Stationsärztin klar: „Pflege wird dann nur noch eingeschränkt stattfinden können, egal, ob es um Grundversorgung, Mobilisierung oder persönliche Zuwendung von Patienten geht.“

„Verständnis“ zeigten Lohmann und Abshoff für die Angst der Beschäftigten, ihren Job zu verlieren. Weil die Krankenkassen die Tariferhöhung um 3,1 Prozent nicht finanzieren wollten, müßten sie nun in Hamburgs Krankenhäusern 1000 Stellen abbauen, klagten beide. Diesen Vorwurf wies der Verband der Angestellten-Krankenkassen zurück. In den ausgehandelten Budgets seien auch die Personalkosten mit den zu erwartenden Tariferhöhungen berücksichtigt, so VdAK-Sprecherin Vera Kahnert.

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