: Krieg in Kosovo spaltet Berliner Opposition
■ PDS und Teile der Bündnisgrünen kritisieren „ersten Angriffkrieg unter deutscher Beteiligung seit dem Zweiten Weltkrieg“. Grüner Landesvorstand verteidigt den Nato-Einsatz. Rüge für den eigenen Außenminister vermieden
Der Nato-Einsatz gegen Jugoslawien hat in Berlin zu heftigen Debatten zwischen Grünen und PDS geführt. Während PDS und Teile der Grünen den Militärschlag heftig kritisierten, verteidigte der Landesvorstand der Grünen die Bombadierung.
Der Bezirksvorstand der Kreuzberger PDS rief für heute um 14 Uhr zu einer „Kundgebung vor dem Landesbüro von Jäger 90/Die Grünen“ in der Oranienstraße 25 auf. „Die Nato führt Krieg in Jugoslawien, und deutsche Soldaten sind mit dabei“, hieß es in einer Erklärung. „Die rot-grüne Bundesregierung hat diese Entscheidung mitgetragen und somit unter Beweis gestellt, daß ein tatsächlicher Politikwechsel mit ihr nicht stattfinden kann.“
Aus Protest gegen den Militärschlag trug die PDS-Fraktion bei der gestrigen Abgeordnetenhaussitzung weiße T-Shirts mit dem Aufdruck „Europa schaffen ohne Waffen“. Der Landesverband der PDS rief zu einer „Friedens-Kundgebung“ am Samstag um 11 Uhr auf dem Alexanderplatz unter dem Motto „Nein zum Krieg“ auf.
Der Landesvorstand der Grünen wollte dagegen gestern vor dem jugoslawischen Generalkonsulat zu demonstrieren.Er verteidigte auch den Einsatz der Bundeswehr. Er sei zwar „eine schwer zu ertragende Zuspitzung des Konflikts“, hieß es in einer Erklärung, doch das Elend der Flüchtlinge fordere nun ein „ernsthaftes Eingreifen“, hieß es weiter. „Wir sehen uns in erster Linie gegenüber der von serbischen Truppen terrorisierten Zivilbevölkerung in der Verantwortung“. Man werde sich bei der Bundesregierung dafür einsetzen, daß Makedonien und andere Nachbarländer des Kosovo bei der Aufnahme von Flüchtlingen unterstützt und vor feindlichen Übergriffen geschützt werden. Den serbischen Präsidenten Miloevic forderten die Grünen auf, das „Morden und Zerstören von Dörfern und Städten zu untelassen“ und das Friedensabkommen zu unterzeichen.
Anja Kofbinger vom Landesvorstand der Grünen bezeichnete die Resolution selbst als „windelweich“, aber man habe sich nach langer Diskussion nicht dazu durchringen können, den eigenen Außenminister zu rügen. „Die Kritik der PDS interessiert uns nicht“, erklärte Kofbinger. Man habe vielmehr damit zu tun, den eigenen enttäuschten Parteimitgliedern das Vorgehen der Bundesregierung zu vermitteln.
Denn auch Teile der Grünen forderten gestern eine „sofortige Beendigung“ des Nato-Angriffs. Acht Politiker des linken Flügels – unter ihnen die Abgeordneten Ida Schillen und Judith Demba – machten die Bundesregierung und insbesondere den zur eigenen Partei gehörende Außenminister Joschka Fischer für „den ersten Angriffskrieg unter deutscher Beteiligung nach dem Zweiten Weltkrieg“ verantwortlich.
Unterdessen wurde in der Nacht zu gestern eine Scheibe des Berliner Büros der grünen Bundesgesundheitsministerin Andrea Fischer in Kreuzberg mit einem Farb-Ei eingeworfen. „Wir sehen eine Verbindung zur Rolle der Grünen bei dem Militäreinsatz“, sagte dazu Kofbinger. Man wolle jedoch über die Täter nicht spekulieren. Intern, so wurde der taz zugetragen, machte man dafür aber „die Freunde von der PDS“ verantwortlich.
Der Flüchtlingsrat Berlin hat gestern den Senat aufgefordert, sich „unverzüglich auf Bundesebene für eine großzügige Aufnahme von Flüchtlingen aus Jugoslawien einzusetzen“. Zudem sollten Innen- und Sozialverwaltung zusammen mit der Ausländerbeauftragten und Verbänden und Initiativen an einem Runden Tisch die Aufnahme der Flüchtlinge diskutieren. ga/zel
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