: Zwiespältige Zustimmung in den USA
■ Die Unterstützung des Senats für den US-Einsatz war knapp. Präsident Bill Clinton setzt auf einfache Worte an die Bevölkerung
Bill Clinton, der Präsident, der selber nie Soldat war, hat nach den Raketenangriffen auf Irak, Sudan und Afghanistan jetzt die Führung in einer Bombenkampagne gegen Jugoslawien übernommen. Kurz nachdem die ersten Bomben auf Serbien und die Provinz Kosovo gefallen waren, erklärte Clinton im Weißen Haus der Presse: „Wir müssen die Risiken unserer Taten gegen die Risiken der Untätigkeit abwägen.“
Am gleichen Abend trat er mit einer Ansprache an die Nation vor die Fernsehkameras. Um zu beweisen, daß humanitäre Gründe und nationale Interessen der USA amerikanisches Eingreifen im Rahmen der Nato gebieten, zog er eingeblendete Landkarten zu Rate: „Kosovo ist eine Provinz Serbiens in der Mitte Südosteuropas, ungefähr 160 Meilen von Italien entfernt. Das ist weniger als die Distanz zwischen New York und Washington.“ Der Versuch, europäische Geographie in amerikanischen Dimensionen darzustellen, sollte seinen Zuhörern ein Gefühl der Unmittelbarkeit des Konflikts geben. „Wir handeln, um einen größeren Krieg zu verhindern, um die Lunte an einem Pulverfaß in der Mitte Europas zu löschen, das in der Geschichte unseres Jahrhunderts schon zweimal mit katastrophalen Folgen explodiert ist.“ Rhetorisch fragte der Präsident, „wieviel Leid der Welt und uns erspart geblieben wäre“, wenn damals schon frühzeitig eingegriffen worden wäre. Sound Bites sind in Amerikas Politik alles, und Clinton hat die seinen in den letzten Tagen zu Aphorismen geschliffen: „Ist Milošević nicht zum Frieden bereit, so sind wir bereit, seine Fähigkeit zur Kriegführung zu begrenzen.“
Amerikas „Verpflichtung“, im Kosovo einzugreifen, geht auf eine Warnung zurück, die Clintons Vorgänger George Bush im Dezember 1992 ausgesprochen hatte. In einem persönlichen Brief an Milošević setzte Bush damals den serbischen Präsidenten davon in Kenntnis, daß die USA eingreifen würden, sollte Milošević den Krieg über Kroatien und Bosnien hinaus in den Kosovo hineintragen.
Dennoch war die Entscheidung jetzt knapp: Der Senat verabschiedete seine Resolution zur Unterstützung des Einsatzes amerikanischer Truppen mit der knappen Mehrheit von 58:41. 1992 war das Ergebnis noch nahezu einstimmig gewesen. Nach einer ersten Konsultation zwischen Vertretern des Senats und des Weißen Hauses am Wochenende verkündete der Fraktionsvorsitzende der Republikaner im Senat, Don Nickles, aus Oklahoma: „Ich finde nicht, daß wir bombardieren sollten, solange Milošević nicht mit wirklich ernsthaften und schweren Massakern beginnt.“
Die Abgeordneten reagieren mit ihrem Abstimmungsverhalten letztlich auf die öffentliche Meinung. Stephen Kull vom Forschungsinstitut „Programm on International Policy Attitudes“, das seit Jahren die Einstellung der Amerikaner zu außenpolitischen Fragen untersucht, verweist auf drei aktuelle Befragungen: Diese machen zwar eine mehrheitliche Zustimmung für den Einsatz von Friedenstruppen im Kosovo aus. Überhaupt seien Amerikaner „entgegen landläufiger Meinung“ internationalem Engagement positiv gegenüber eingestellt. Schwieriger zu interpretieren ist allerdings die öffentliche Meinung zum Einsatz von Bomben. Eine Mehrheit ist dagegen, akzeptiert ihn aber als einzig mögliche Antwort auf die Herausforderung Milošević'.
Auf eine notwendige Neuausrichtung amerikanischer Außenpolitik wies in diesem Zusammenhang vorige Woche der stellvertretende amerikanische Außenminister Thomas Pickering hin: Ob abgesprochen oder nicht, inzwischen agierten Milošević und Saddam Hussein vereint. Nach dem Ende des Kalten Kriegs könnten bestimmte Nationen die Schwelle zur Gewaltanwendung herabsetzen, so Pickering: „Dadurch sind die Mittel der Diplomatie schneller erschöpft.“ Peter Tautfest, Washington
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