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Die Front der CDU-Drogenhardliner bröckelt

Mit der Forderung nach einer Wende in der Drogenpolitik hat der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Hermann Kues in der Union für Ärger gesorgt. Jetzt wird nach einer gemeinsamen Linie gesucht  ■ Von Jutta Wagemann

Berlin (taz) – „Für mich sind Drogenabhängige Kranke.“ Der Satz kommt dem Drogenbeauftragten der Unions-Bundestagsfraktion, Hubert Hüppe, wie selbstverständlich über die Lippen. Dabei hat der CDU-Mann gerade ausgesprochen, was fast wörtlich im Koalitionsvertrag von SPD und Bündnisgrünen steht. Die neue Bundesregierung setzt auf Hilfe statt Strafe für Süchtige – und nach jahrelanger Abwehr einer liberalen Drogenpolitik brökkelt auf einmal die Front der Union.

Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Hermann Kues hat sich in den vergangenen Tagen aus dem Fenster gehängt. Er fordert von den eigenen Leuten ein „Ende der Scheinheiligkeit“. Kues appellierte, offen nach Möglichkeiten zur Lösung des Drogenproblems zu suchen.

„Wir müssen jetzt nüchtern Bilanz ziehen“, sagte Kues. Die CDU mache es sich zu leicht, pauschal ein Verbot von Fixerstuben und kontrollierter Heroinabgabe zu fordern. Vor allem in Großstädten könne beides Leben retten. Viele in seiner Partei sähen das ähnlich. „Das wird nur nicht offen artikuliert“, gestand der für Gesundheit und Soziales zuständige Politiker.

Gleich nachdem seine Äußerungen in der Welt waren, machte die Unionsfraktion die Schotten wieder dicht. „Kues' Meinung ist die einiger weniger“, ruderte ihr gesundheitspolitischer Sprecher, Wolfgang Lohmann, zurück. Ihm war der Ärger über die angestoßene Debatte deutlich anzumerken. Ganz in Ruhe hatte die Union eine Fraktionsmeinung zur Drogenpolitik der neuen Bundesregierung entwickeln wollen. Jetzt steht sie durch Kues' Forderungen unter Zugzwang. Der Drogenbeauftragte Hüppe soll daher eine Fraktionslinie erstellen, die am 30. April mit den Unionsvertretern der Länder abgestimmt wird.

Hüppe teilt zwar nicht die Meinung von Kues, steht der Drogenpolitik der Regierung aber auch nicht völlig ablehnend gegenüber. Vor allem dem von Bundesgesundheitsministerin Andrea Fischer (Bündnisgrüne) geplanten Modellprojekt zur kontrollierten Heroinabgabe kann Hüppe eingeschränkt zustimmen.

Wenn es sich um einen medizinischen Versuch im Rahmen des Bundesbetäubungsmittelgesetzes mit engen Kriterien handele, „können wir darüber reden“, so Hüppe. Wichtig sei für ihn, daß das Projekt wie geplant über drei Jahre laufe und erst danach über das weitere Vorgehen entschieden werde.

Von der geplanten Einrichtung von Fixerstuben, wo Abhängige unter Aufsicht mit sauberen Spritzen Drogen konsumieren können, hält Hüppe nicht viel. Nur selten gebe es dort wirklich Ansprache und psychologische Betreuung für die Fixer. Dafür fehle den Ländern und Kommunen oft das Geld.

Gesundheitsexperte Lohmann kann sich ebenfalls nur für Projekte erwärmen, die keine Gesetzesänderung erfordern. Weitergehende Forderungen der Grünen, wie etwa Haschischverkauf in Apotheken, lehne die Union nach wie vor kategorisch ab. „Es gibt keine geänderte Beschlußlage“, betonte Lohmann. Kues' Vorschlag sei erledigt.

Allerdings räumte Lohmann ein, daß Kues mit seiner Meinung nicht völlig alleine steht in der Fraktion. „Es gab immer einzelne Personen, die anderer Meinung waren als Lintner“, sagte Lohmann in Anspielung auf die harte Linie des früheren Bundesdrogenbeauftragten. Angeblich steht auch Fraktionschef Wolfgang Schäuble hinter Kues, hieß es aus Bonn. Kues selbst behauptet, daß „eine ganze Menge meiner Meinung sind“.

Kein Verständnis bringt hingegen die CSU dem Vorstoß von Kues entgegen. Fixerstuben und Heroinabgabe seien ein falsches Signal an die Jugend, sagte der CSU-Landesgruppenchef Michael Glos. „Der Staat darf Sucht nicht akzeptieren.“ Unterstützung erhielt er von Bayerns Innenminister Beckstein. Er halteKues' Standpunkt für falsch, weil er sich „ausschließlich an den Drogenabhängigen“ orientiere.

Während die Union dabei ist, ihre Abgeordneten wieder auf Linie zu bringen, häufen sich auf Regierungsseite die freudigen Reaktionen über den Wandel einiger CDU-Politiker. Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Christa Nickels (Bündnisgrüne), bot sogleich eine parteiübergreifende Zusammenarbeit an. Die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Gudrun Schaich-Walch, nahm das Gesprächsangebot von Kues „gerne an“.

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