: Basis rebelliert gegen die Quadriga
■ SPD-Landesausschuß lehnt Sonderparteitag im April ab. Landesvize Borghorst fordert, zuerst Alternativen zu prüfen. Verkauf von Wohnungsbaugesellschaften sei letztes Mittel
Die SPD-Führungsquadriga hat im Landesausschuß am Montag abend eine Niederlage erlitten. Ihr Vorschlag, im April bei einem Sonderparteitag über den Totalverkauf von zwei Wohnungsbaugesellschaften zu entscheiden, wurde mit großer Mehrheit abgelehnt. Das 13-Punkte-Modernisierungsprogramm des SPD-Führungsquartettes Strieder, Momper, Fugmann-Heesing und Böger soll nun auf dem Programmparteitag beraten werden, der in der zweiten Maihälfte stattfinden soll.
Vor dem Landesausschuß lehnten u.a. die drei stellvertretenden SPD-Landesvorsitzenden Hermann Borghorst, Klaus-Uwe Benneter und Monika Buttgereit den Verkauf von Wohnungsbaugesellschaften ab. Der SPD-Abgeordnete Borghorst erklärte, es gebe Alternativen dazu, die noch nicht ausgelotet worden seien. Der Verkauf ganzer Gesellschaften könne nur das allerletzte Mittel sein, um das Haushaltsloch zu stopfen. Im einzelnen schlägt Borghorst vor, daß mit den Wohnungsbaugesellschaften über die frühzeitige Rückzahlung von Landesdarlehen verhandelt wird. Die Gesellschaften hätten bereits ein Angebot vorgelegt, wonach sie 500 bis 600 Millionen Mark vorzeitig zurückzahlen könnten. Das müsse noch nachverhandelt werden. Die Wohnungsbaugesellschaften seien außerdem bereit, Grundstücke und Wohnungen zu kaufen, die sie in den 80er Jahren von den Bezirken zur Verwaltung übertragen bekommen hätten. Es handle sich um 600 Grundstücke und über 12.000 Wohnungen, deren Wert auf eine Milliarde Mark geschätzt werde.
Als weitere Möglichkeiten nannte Borghorst, den Verkauf weiterer Wohnungen an Genossenschaften. Einnahmen ließen sich auch durch den Börsengang der Degewo erzielen. So könnten 49 Prozent der Aktien an kleine und mittlere Aktionäre veräußert werden. Mit diesen Maßnahmen ließen sich nach Borghorsts Angaben „relativ schnell“ rund 1,5 Milliarden Mark in die Landeskasse bringen. Ein Verkauf von Wohnungsbaugesellschaften sei das „falsche Signal“. Bei den Mietern würden erhebliche Ängste geweckt. „Es entsteht Druck auf die Mieten, das ist gar keine Frage“, sagte Borghorst.
Die Gefahr kräftiger Mieterhöhungen sieht auch der Geschäftsführer des Mietervereins, Hartmann Vetter. Innerhalb von drei Jahren sei eine Mieterhöhung von maximal 30 Prozent möglich. In vielen Fällen könne es innerhalb von zehn Jahren zur Verdopplung der Miete kommen. Bei Neuvermietungen betrage die Miete dann, „was der Markt hergibt“. Vetter sagte, wer eine Wohnungsbaugesellschaft kaufe, wolle auch das „schlummernde Mietsteigerungs- und Umwandlungspotential ausreizen“. Er gab zu bedenken, daß der Bestand von Sozialwohnungen ohnehin von 346.000 im Jahr 1995 auf 164.000 im Jahr 2010 gesenkt werde. Das Land dürfe nicht die wohnungspolitischen Steuerungsmöglichkeiten aus der Hand geben. Dorothee Winden
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