Greenpeace zieht den Stecker

Stromwechsler sollen ab der Jahrtausendwende ökologisch versorgt werden  ■ Von Gernot Knödler

Manche lernen's nie: „Sie sind widerrechtlich auf meinem Balkon – das wissen Sie ganz genau“, zeterte gestern Gerhard Arnhold, der Leiter des HEW-Kundenzentrums in der Mönckebergstraße, und zerrte an einem Transparent, das zwei Greenpeace-Aktivisten gerade entrollen wollten. Am Ende war es doch zu lesen: „Atomstrom nein danke – Wir kündigen!“

In der Tat wird Greenpeace seine Zentrale in der Großen Elbstraße nur noch bis Ende Juni von den Hamburgischen Electricitätswerken (HEW) mit Strom versorgen lassen. Danach wird ein sauberer Versorger den Bedarf der Umweltschützer decken, einer, der auf Atom- und Kohlestrom verzichtet. Ab dem 1. Januar 2000 sollen schließlich auch die weit mehr als 60.000 Leute, die bei der Greenpeace-Aktion „Stromwechsel“ mitmachen wollen, ökologisch korrekt versorgt werden. Ein Unternehmen, das dazu bundesweit in der Lage ist, wird derzeit noch gesucht.

Vor der Kulisse von gut zehn Quadratmetern Solarzellen und mit der Warnung: „Achtung radioaktiv!“ markierten Fässern überreichte Sven Teske von Greenpeace das Kündigungsschreiben. „Wir bedauern das zutiefst“, sagte der Chef der HEW-Unternehmenskommunikation, Ulrich Kresse, leicht verlegen und nutzte die Chance auf die frischgegründete Ökostrom-Firma von HEW und Shell hinzuweisen: Im Gegensatz zu anderen Versorgern biete Newpower ausschließlich Strom aus regenerativen Quellen an.

„Das ist ein hauchdünner grüner Lack, kein überzeugendes Produkt“, konterte Greenpeacer Teske. 80 Prozent des von den HEW gelieferten Stroms stammten aus Atommeilern. „Wer sich als umweltfreundlicher Stromversorger darstellt, kann nicht gleichzeitig vier Atomkraftwerke betreiben, die teilweise zu den ältesten und gefährlichsten der Bundesrepublik gehören und jedes Jahr tonnenweise strahlenden Atommüll produzieren.“

Symbolisch befreite sich Greenpeace daraufhin aus der babylonischen Gefangenschaft bei den Atomkonzernen. Mit einer solarbetriebenen Trennscheibe durchschnitt ein Arbeiter die Ketten, mit denen Männer und Frauen der Hamburger Greenpeace-Gruppe an gelbe Atom-Fässer gefesselt waren.

Gerhard Koch aus Stelle bei Maschen sah skeptisch zu: So ohne weiteres lasse sich nicht aus der Atomenergie aussteigen, gab er zu bedenken. Verschiedene Alternativen hörten sich zwar gut an, würden aber den Bedarf nicht decken. „Wir wollen nicht zurück auf die Bäume“, betonte Koch, der aber andererseits freistellte: „Jeder, der diese Möglichkeite als individuelle Lösung für sich erkennt, soll sie nutzen.“ Zehn Prozent sei er durchaus bereit auf seine Stromrechnung draufzulegen, wenn er dafür grünen Strom bekäme.

Vierzehn Unternehmen haben bisher angeboten, Greenpeace mit Strom aus Biomasse, Wind, Wasser und Sonne sowie kraft-wärme-gekoppelten Erdgaskraftwerken zu beliefern, wie Pressesprecher Stefan Krug sagte. Bis Anfang Juni wollen sich die Umweltschützer für eine Firma entscheiden. Nach einer Testphase erhält der grüne Stromversorger dann die Adressen der TeilnehmerInnen an der Aktion Stromwechsel. Vorraussetzung ist, daß er nicht nur die derzeit gemeldeten mehr als 60.000 StromwechslerInnen bedienen kann – allein in Hamburg sind das 2000 private Stromkunden – sondern weit mehr. Täglich meldeten sich weitere Interessenten, sagte Krug. Die Aktion sei „auf Wachstum angelegt“.

Die Büros und Lagerräume der 120 MitarbeiterInnen in Hamburg mit grünem Strom zu versorgen, wird nach Schätzung von Greenpeace zu Mehrkosten von rund 2000 Mark im Monat führen. Die Umweltschutzorganisation will versuchen, das durch Einsparungen wett zu machen.