: Grüne gehen in Deckung: Kriegsparteitag Himmelfahrt
■ Parteispitze reagiert auf Debatte zu Nato-Einsatz. Linke begrüßt Initiative. Nato-Angriffe werden über Ostern fortgesetzt. Kirchen über Konflikt gespalten
Berlin (taz) – Kurz vor Ostern hat die bündnisgrüne Parteispitze auf den wachsenden innerparteilichen Druck reagiert. Für Christi Himmelfahrt am 13. Mai beschloß der Bundesvorstand gestern in Bonn die Einberufung eines Sonderparteitages. Gegenüber der taz erklärte Parteisprecherin Antje Radcke, man wolle mit diesem Schritt auf die zahlreichen öffentlichen und nichtöffentlichen Debatten zum Nato-Einsatz reagieren.
Begrüßt wurde die Entscheidung des Vorstandes vom Berliner Bundestagsabgeordneten Christian Ströbele, der als einer der ersten innerhalb der Grünen für einen Sonderparteitag plädiert hatte. Unabhängig davon, ob zu diesem Zeitpunkt noch bombardiert werde, müsse sich die Partei „Klarheit darüber verschaffen, für was die Grünen eigentlich stehen“. Gerade im Hinblick auf die Europawahlen in diesem Jahr müßten die Wähler wissen, ob die Partei künftig „wieder Krieg führen will“. Der Parteilinke erinnerte an die Programmlage, nach der Kampfeinsätze ausgeschlossen werden. Zugleich seien aber deutsche Tornados an Angriffen beteiligt. „Gilt die alte Programmlage weiterhin, oder wie gehen wir künftig mit diesem Widerspruch um?“ fragte Ströbele.
Daß der Parteitag erst am 13. Mai stattfinden soll, begründeten Radcke und Ströbele mit Satzungsbestimmungen. Zwar könne in dringenden Fällen die sechswöchige Einladungsfrist verkürzt werden. Er halte den jetzt beschrittenen Weg aber für ausreichend, so Ströbele zur taz.
In einem Papier, das Radcke und die verteidigungspolitische Sprecherin der Fraktion, Angelika Beer, gestern vorstellten, wird die Bundesregierung aufgefordert, in der Nato eine diplomatische Initiative für einen politischen Ausweg zu ergreifen. Truppen zur Überwachung der Umsetzung eines etwaigen Friedensabkommens sollen nur mit UN-Mandat in das Kosovo einziehen.
Trotz aller Appelle werden die Nato- Angriffe auch über Ostern fortgesetzt. Die Forderung des Papstes nach einem Waffenstillstand über das christliche Hochfest bis zum orthodoxen Osterfest am 11. April wurde von US-Präsident Bill Clinton zurückgewiesen. Man könne nicht Ostern feiern „und der Auferstehung Christi gedenken, indem wir Milošević mehr Zeit geben, unschuldige Zivilisten zu töten“, sagte Clinton.
Die deutschen Kirchen reagieren tief gespalten. Der Vorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Manfred Kock, hat ebenso wie der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Karl Lehmann, die Angriffe als „einzig wirksames, letztes Mittel“ verteidigt. Andere Kirchenvertreter haben den Einsatz dagegen scharf verurteilt. In Deutschland predigten am gestrigen Karfreitag protestantische Geistliche gegen den Krieg. Pax Christi und Aktion Sühnezeichen forderten von der Nato, ihre Angriffe einzustellen. sev/bpo
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