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Schleusen gegen die Müllflut

Neues Chipkartensystem soll zur Abfallvermeidung motivieren  ■ Von Gernot Knödler

Wenn Erika Cysewski den Müll runterbringen will, muß sie seit gestern eine Chipkarte mitnehmen. Mit Hilfe der Karte ermittelt die Stadtreinigung, welche Mieterin wann wieviel Müll weggeworfen hat und schreibt eine entsprechende Rechnung. Der Sinn des von der Umweltbehörde initiierten und geförderten Modellversuchs: Wer viel Müll produziert, soll viel bezahlen. „Dieses System belohnt die Bürgerinnen und Bürger, die bewußt auf Abfallvermeidung achten“, sagte Umweltsenator Alexander Porschke.

Gelohnt hat sich der Versuch für die Niendorfer TeilnehmerInnen bereits heute: Weil sie damit rechnet, daß der Müllsparanreiz wirkt, nahm die Stadtreinigung zwölf der bisher 18 Müllcontainer weg und ersetzte sie durch sechs „Müllschleusen“ und Container für Abfall mit dem grünen Punkt und Papier. Statt wie bisher 260 Mark im Jahr zahlen die Haushalte künftig nur noch durchschnittlich 200 Mark für die Müllabfuhr. Dabei wird die Gesamtrechnung für die Hochhäuser nicht mehr nach Quadratmetern Wohnfläche aufgeteilt, sondern nach der Menge des Mülls, den die MieterInnen jeweils in die Container werfen.

Und so funktioniert das Erfassungssystem: Jede der Müllschleusen schluckt ausschließlich Beutel einer Größe: fünf, zehn, 15 oder 20 Liter. Mit der Chipkarte wird die Schleuse für einen Müllbeutel geöffnet und der Einwurf samt Datum auf der Rechnung des dazugehörenden Mieters vermerkt. Wer zu kleine oder bloß halbvolle Beutel einwirft ist selbst schuld.

Erika Cysewski ist wie viele andere MieterInnen skeptisch. „Wenn mal einer schnell zum Bus muß und seine Chipkarte vergessen hat, wird das davorgestellt“, prophezeit die rothaarige Frau. Andere befürchten Schlimmeres: Was, wenn einzelne Bewohner sich auf Kosten der anderen vom Müll befreien, indem sie ihren Abfall in die gelben Recycling-Container werfen?

Wird der Restmüll-Anteil in diesen Gefäßen zu hoch, schickt das Duale System eine Rechnung an die Stadtreinigung, und die legt sie wiederum auf alle Mieter um. Die Umweltbehörde hofft, daß das nicht passiert. Für den bis Ende des Jahres 2000 laufenden Modellversuch hat sie sich mit Bedacht sozial stabile Hausgemeinschaften ausgesucht. Und andere Leute kommen an die gelben Container nicht ran: Ihre Deckel können nur mit einem Hausschlüssel geöffnet werden.

Die in Ostdeutschland entwickelten Müllschleusen sind nicht ganz billig: 7800 Mark kostet eine. Für die sechs Müllschleusen und die nötige Datentechnik bezahlte die Umweltbehörde den Rabattpreis von 46.000 Mark. Insgesamt fördert die Behörde den Modellversuch mit 120.000 Mark.

Erst im Januar hatte die Umweltbehörde in Finkenwerder, Cranz und Neuenfelde ein anderes Modellvorhaben gestartet. Dort wurde das Mindestvolumen der Mülltonnen von 60 auf 30 Liter gesenkt. Wer weniger Abfall produziert, kann auf diese Weise Geld sparen.

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