: Hoffnung für die ABM- und 249h-ler
■ „Der Job-Erfinder“ ist rührig – und ein ganz Netter (19.20 Uhr, 3 sat)
Franz Schaible wäre ein viel besserer Werbeträger für das „Unternehmen Zukunft“ als alle Scholl- Latours dieser Welt zusammen: Er macht in steckdosenunabhängigen, ökologisch verträglichen Kühlschränken, mobilen Zahnarztpraxen, museumsreifen Schreibmaschinen und Motorrollern, läßt Krankenhausmobiliar recyceln und nach Osteuropa oder Kambodscha karren. Er hat in wenigen Jahren ein kleines Imperium aufgebaut mit fast vier Dutzend Niederlassungen in mehr als 40 Städten und Gemeinden, beschäftigt rund 2.000 Leute – und ist ein ganz Netter. Einer, der, obwohl ununterbrochen unterwegs, ohne Dienstwagen und Chauffeur auskommen muß und sich nicht nur anstandslos, sondern, wie es sich für einen mittelalten gelernten Soziologen geziemt, mit Begeisterung und solider Thermoskanne in der Bahn eingerichtet hat.
„Der Job-Erfinder“ nennt Marie-Christine Delava-Milde ihren Dokumentarfilm über die Bielefelder GAB, die Gesellschaft für Arbeits- und Berufsförderung und ihren obersten Boß. So richtig trifft der Titel allerdings nicht: Denn der rührige Unternehmer Schaible kann doch nur davon „träumen, daß alle Menschen Arbeit haben“. Denn auch wenn die GAB stolze 100 Millionen Mark Umsatz im Jahr macht und nur „sozial und ökologisch sinnvolle“ Projekte durchführt – sie ist eine ABM-Klitsche. Nicht einmal einer wie Schaible kann seinen langzeitarbeitslosen Mitarbeitern garantieren, daß sie länger als sechs oder zwölf Monate gebraucht werden. Denn nach diesem Zeitraum laufen Beschäftigungsmaßnahmen in Deutschland nun einmal aus.
„Wir können uns bemühen, wie wir wollen, wir kriegen die Leute nicht alle auf den ersten Arbeitsmarkt“, sagt Schaible. Und findet es schon erfreulich, daß „im Hochsauerlandkreis traumhafte 23 Prozent“ der GAB-Teilnehmer den Sprung dann doch geschafft haben. Nicht einmal ein Viertel, und das in einer Region, „die auch schon die absolute Ausnahme ist“. Die ABM- und SAM- und 249h-ler und wie die Frauen und Männer in den diversen arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen sonst noch heißen mögen, wissen das und hoffen vor der Kamera trotzdem, daß gerade sie es einmal sein könnten, die dazugehören.
Und zwischendurch kommen dann die Bilder, die man so gut kennt: die eifrig schweißenden und blinde Wände mauernden Mittfünfziger, die auch nicht die geringste Chance haben, vor der Rente noch einmal ein echtes Unternehmen von innen zu sehen. Die schulabschlußlosen Jugendlichen mit den wasserstoffblond gefärbten Haaren, die auf das Lehrstellenprogramm der Bundesregierung hoffen und die Zwischenzeit nutzen, kleine Brettchen abzuhobeln oder Rollstühle für Kaliningrad klinikgrün anzustreichen. Die engagierten und schon leicht frustrierten Sozialarbeiter und -innen. Delava-Milde läßt nichts aus. Nicht den Propagandabesuch der Brandenburger Arbeitsministerin Regine Hildebrandt ( „Solche Leute brauche mer“). Nicht ihre peinlichen Fragen an die ehemaligen Langzeitarbeitslosen: „Wat machen Se denn jerade Schönes?“ Nicht die mehr als ein bißchen unglückliche Miene, die Schaible im Schatten der Ministerin in die Kamera macht. Das ist nicht schön, aber Alltag. Die reale Umsetzung von Arbeitsmarktpolitik. Und nicht einmal die schlechteste. Beate Willms
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