: Und ewig klingelt das Telefon
■ Das Museum als Ort der Nicht-Kommunikation: Die Ausstellung „Talk.Show“ in Wuppertal untersucht Formen sprachlichen Austausches im Medienzeitalter
Vor lauter Gerede kann man kaum das Wort des anderen verstehen. Tatsächlich dient das Fernsehformat, das schon fast als Synonym für Nicht-Kommunikation stehen kann, als Ausgangspunkt der Ausstellung mit dem schönen Titel „Talk.Show“. In den Fernsehshows wird durcheinander und aneinander vorbeigeredet – so auch in Wuppertal. Hier schreit Pipilotti Rist im Fegefeuer, dort weint eine junge Frau, die in der Geräuschkulisse eines Restaurants versinkt (Sam Taylor-Wood). Mike Kelleys Teddybären quasseln gegen Tony Ourslers Stoffpuppen an – auf Englisch versteht sich. Ab und an klingelt in einer der Sitzecken, die Rirkrit Tiravanija als Telefonstationen über die Ausstellungsräume verteilt hat, ein Apparat, an dessen Ende sich ein aufgeregter Teenie auf einem Schulklassenausflug einen Scherz erlaubt. Was auch immer die Künstler uns zu sagen haben, geht in einem nervigen Klangteppich unter. Die Kontaktaufnahme ist gescheitert, das Museum ein Ort der Nicht-Kommunikation.
Dabei knüpft „Talk.Show“ an eine Ausstellung des Von der Heydt-Museums von 1991 zum Thema „Text und Bild“ an, in der zeitgenössische Künstler den unterschiedlichen Medieneinsatz von Schrift und Bild in der Kunst thematisierten. Im Trend der vielbeschworenen Kommunikationsgesellschaft wendet man sich nun der Sprache zu. Wie ist sprachlicher Austausch im Medienzeitalter möglich, so die Frage, die durch die Ausstellung leiten soll. „Talk.Show“ bezeichnet mehr als ein Sendeformat, sondern meint wortwörtlich Rede, die gezeigt wird. Für die Kunst der 90er Jahre sei dabei laut Ausstellungsmacherin Susanne Meyer-Büser eine „skeptische Grundhaltung“ gegenüber Verständigungsmöglichkeiten typisch. Die Sprache interessiere „heute als Medium der Kommunikation“, nicht mehr als „ikonografisches Material“, wie in den 1991 gezeigten Arbeiten.
16 Fototafeln Hirsch Perlmans zeigen unter dem Titel „28 Expressions“ eine isolierte männliche Person frontal im gleichen engen Bildausschnitt. Die Mimik des Mannes wechselt von Bild zu Bild, Untertitel weisen jedem Gesichtsausdruck zum Teil mehrere Gefühle wie „Resignation“, „Erleichterung“ oder „Sorge“ so zu, als ob Bilder oder Worte Emotionen repräsentieren könnten. Doch das Werk verweigert sich dem naheliegenden Versuch, die Unterschriften mit den Fotografien abzugleichen. Allerdings wäre für diese überzeugende Arbeit wohl kaum die Skepsis der 90er Jahre nötig. Schon René Margritte war ein Skeptiker der Repräsentation. Mit der bezeichnenden Funktion der Sprache spielt auch Adib Frickes Rauminstallation. „So gut können gute Wörter sein“, macht sein Kunsthandel mit Wörtern, „The Word Company“, Werbung für seine amüsanten, aber referenzlosen Wortneuschöpfungen: „New, cool and SMORP“. Die kritische Auseinandersetzung mit dem Besucher suchen Clegg & Guttmann mit ihrem Archiv über die amerikanische Fernsehshow „Candid Camera“, vergleichbar mit „Versteckte Kamera“. In einem extrem komplizierten, pseudowissenschaftlichen Archivsystem wird der Besucher aufgefordert, sich über die sozialwissenschaftlichen fake studies des Künstlerduos zu informieren. Das Archiv umfaßt Videoaufnahmen der Sendung, Kopiermaterial und Fotografien einzelner Schlüsselszenen, beispielsweise der Tortenexplosion, die nach rotierendem Prinzip an der Wand des Ausstellungsraumes gezeigt werden.
Einige gelungene Arbeiten machen aber bekanntlich noch keine gute Ausstellung, und so muß man bald feststellen, daß das Konzept der „Kunst der Kommunikation“ scheitert. Dafür ist einerseits die schlechte Präsentation verantwortlich, die es kaum möglich macht, der Rede zu folgen, andererseits das verwendete Konzept von Kommunikation, das nur dank seiner völligen Vagheit dazu taugt, als kleinster gemeinsamer Nenner die disparaten Arbeiten zu verbinden. Mit dem Watzlawick-Zitat, „Man kann nicht nichtkommunizieren“, liefert Bazon Brocks Katalogbeitrag ein schönes Beispiel für die grenzenlosen Weiten des Begriffs. Da folglich Kunst immer Kommunikation ist, rechtfertigt dies scheinbar eine beliebige Auswahl: Konzeptkunst, die mit Schrift arbeitet; eine Rauminstallation, die Kleidung und Dress-Codes zum Thema macht; Künstler, die Fernsehen medienkritisch beleuchten ...
Zu wünschen wäre aber, daß die Kunstwerke auch untereinander kommunizierten. Was die kontextualistischen, recherchierenden und politischen Arbeitsformen etwa von Clegg & Guttman oder Thomas Locher mit der Videoinstallation von Pipilotti Rist zu tun haben, bleibt jedoch schleierhaft. Die feinen Unterschiede zwischen jenen Arbeiten, die Fernsehen und Video als Material benutzen, und solchen, in denen über Medien reflektiert wird, gehen in der offenkundigen Gemeinsamkeit des Einsatzes medientechnischer Apparate unter. Mit was für einem armseligen Konzept von interaktiver Kunst wird hier gearbeitet, wo ein paar Telefone und Anrufbeantworter ausreichen sollen, um „die aktive Beteiligung des Betrachters zu forcieren“ und „sogar die Differenz von Kunst und Leben ganz aufzuheben“.
Mit einer simpleren Art von Interaktion agiert das Künstlerpaar M + M. In ihrer Arbeit „12 Marias“ geben zwölf historische Marien auf zwölf Anrufbeantwortern Anwort auf die Frage: „Wie entgehen wir der Sinnflut?“ Bei Marie Curie, Rainer Maria Rilke oder Mary Shelley könnte sich jeder Anrufer Rat beim Experten einholen und der Museumsbesucher mithören, was die Marien zu sagen haben. Wenn keiner anruft, hilft das Wachpersonal schon mal mit einem Anruf aus. Ist das die Kunst der Kommunikation? Die kommuniziert vermutlich anderswo. Esther Ruelfs
Die Ausstellung ist noch bis zum 24. Mai im Von der Heydt-Museum Wuppertal zu sehen. Ein Katalog ist im Prestel Verlag erschienen. 39 DM
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