: „Existenzfrage für die Grünen“
■ Die Kieler Frauenministerin Birk hat den Appell von Parteimitgliedern unterzeichnet, in dem ein Ende der Nato-Bombardierungen gefordert wird
taz: Grüne wie Christian Ströbele protestieren seit Beginn der Nato-Luftschläge gegen den Krieg. Warum melden Sie sich jetzt erst zu Wort?
Angelika Birk: Aus einem ganz persönlichen Grund: Ich war ziemlich krank. Unabhängig davon mehren sich täglich die kritischen Stimmen, auch unter denen, die im Bundestag zugestimmt haben. Denn man muß befürchten, daß die Nato-Luftschläge wie ein Anheizen auf das serbische Militär gewirkt haben.
Sie gehören als Landesministerin zu den ersten Unterzeichnern auf einem vergleichsweise herausragenden Posten. Haben Sie Angst vor der Reaktion Ihrer Parteispitze?
Wir haben uns in der grünen Partei bisher sehr engagiert, aber auch sehr sachlich auseinandergesetzt. Es geht nicht um persönliche Diffamierungen, sondern um das Ringen für eine gemeinsame Lösung.
Die Initiatoren des Aufrufs werfen Außenminister Fischer vor, die Bevölkerung auf einen Angriffskrieg einzuschwören. Damit desavouiere er die Grünen und sei verzichtbar.
Ich weiß, das sind harte Worte, wie ich sie vielleicht nicht gewählt hätte. Aber diese Frage ist wirklich eine Existenzfrage für die Grünen. Im Rahmen seiner Möglichkeiten hat Fischer sich ja um eine diplomatische Lösung sehr bemüht. Wenn dabei aber auf Dauer kein anderes Ergebnis herauskommt, ist die Frage auf dem Tisch: Welche Rolle spielen die Grünen in einer bundesdeutschen Regierung?
Diese Diskussion wird bestimmt von den Befürwortern der Lufteinsätze. Fehlt den Gegnern nicht eine Galionsfigur?
Die Auseinandersetzung auf Seiten der Befürworter ist ja bereits deutlich differenzierter, als sie es am Anfang war. Nehmen Sie nur Angelika Beer. Es wird in der Partei in der Hinsicht noch eine ganze Menge passieren.
Heißt das, es gibt prominente Grüne, Regierungsmitglieder vielleicht, die mit Ihrer Position sympathisieren, es aber nicht zu sagen wagen?
Es gibt da schon eine sehr heftige Debatte, auch außerhalb dessen, was in Zeitungen an Statements veröffentlicht wird. Das ist übrigens auch gut so, weil ein lebendiges Nachdenken, ohne daß jedes Wort gleich gedruckt wird, die Sache ja nur voranbringen kann.
Wo ist eigentlich Jürgen Trittin in dieser Debatte?
Das müssen Sie ihn fragen. Ich habe in letzter Zeit keinen Kontakt mit ihm gehabt.
Glauben Sie, daß sein Herz für Ihre Sache schlägt?
Zumindest hat er sich in den letzten Tagen zunehmend kritischer gegenüber der derzeitigen Politik geäußert. Interview: Patrik Schwarz
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