Debatte: Der Krieg und die Krise von Rot-Grün
■ Marian Krüger (PDS) sieht keinen Widerspruch in der Kooperation mit SPD und Grünen
Carl Schmitt hielt die Unterscheidung in Freund und Feind für den Wesenskern des Politischen. Die Polemik des grünen Abgeordneten Bernd Köppl gegen die PDS knüpft an dieses Denken an.
Da die PDS nicht auf der Seite „unserer Soldaten“ ist, muß sie wohl auf der der feindlichen sein, der serbischen und vermutlich auch der Russen. Ist die PDS erst einmal so in Stellung gebracht, läßt sie sich gut bekämpfen. Schröder warnt vor der „Fünften Kolonne“, Fischer gibt Gysi als „Weißwäscher des Faschismus“ zum Abschuß frei, und Köppl sieht die PDS schon imaginäre „russische Friedensraketen“ begrüßen. Das erinnert an die Blocklogik des Kalten Kriegs, gegen die die Grünen einst so trefflich argumentierten.
Hunderttausende Vertriebene sind das sichtbarste Ergebnis der Politik der Nato und der Nationalisten in Belgrad. Beide Kriegsparteien verfolgen ihre Ziele auf dem Rücken der Kosovaren.
Das Kriegsziel der Nato ist das globale Gewaltmonopol für sie selbst und die Degradierung der UNO. Und Miloevic kann nun unter dem Deckmantel der „Vaterlandsverteidigung“ seine verbrecherische Vertreibungspolitik forcieren.
Kriegspartei ist auch die UÇK, die 1998 sowohl den Friedensplan der Balkan-Kontaktgruppe und 1999 Rambouillet torpediert hat. Alle drei Seiten tragen Verantwortung für Krieg und Vertreibung. Was tun?
Das Ende der Nato-Angriffe ist eine der wesentlichen Voraussetzungen für den Frieden. Die serbischen Truppen müssen Kosovo verlassen. Die UÇK muß unter Regie der OSZE entwaffnet werden. Für die Albaner in Jugoslawien müssen alle Garantien des Europäischen Rahmenübereinkommens zum Schutz nationaler Minderheiten gelten. Die Europäische Union muß politisch, wirtschaftlich und finanziell Mitverantwortung für einen friedlichen Neubeginn übernehmen.
SPD und Grüne haben mit der Kontinuität deutscher Entspannungspolitik, die für Gewaltverzicht und friedliche Konfliktlösung stand, gebrochen und die Gräben zwischen West und Ost in Europa vertieft. Der Krieg ist nach dem Rücktritt Lafontaines der vorläufige Höhepunkt der Krise von Rot-Grün. Der grüne Abgeordnete Bernd Köppl macht sich Sorgen, daß die PDS davon profitieren könnte. Er verkennt dabei, daß die Regierung derzeit den stärksten Beifall bei CDU und FDP findet, während der Faden zwischen Rot-Grün und seinen linksreformerischen Anhängern gerissen ist. Dagegen befindet sich die Berliner CDU seit Wochen im Aufwind.
Nun gerät die Regierung erstmals auch auf Bundesebene von links unter Druck. Und was ist falsch daran, daß die PDS in Ostdeutschland, wo die Mehrheit gegen den Krieg ist, in den Landtagen die Kriegsfrage auf die Tagesordnung setzt? Falsch wäre es allerdings, Rot-Rot im Osten platzen zu lassen, denn die Alternative dazu ist die Große Koalition und das endgültige Aus für eine Bundesratsmehrheit, auf die die rot-grüne Bundesregierung angewiesen ist.
Ich halte nichts davon, sich gegenseitig die Friedensfähigkeit abzusprechen. Kriegspartei ist, wer Kriegsziele verfolgt und Kriegshandlungen veranlaßt. Dies trifft bislang auf die Länderregierungen und ebenso auf erhebliche Teile der SPD und der Grünen nicht zu. In dieser Situation wäre es falsch, alle Brücken zueinander abzubrechen.
Für Berlin gilt weiter: Die PDS will einen Politikwechsel; das neue Jahrzehnt soll keins der Großen Koalition bleiben. Wir bleiben eine berechenbare Kraft für alle diejenigen, die den Wechsel wollen und dafür, daß Rot-Grün stärker von links unter Druck kommt als von rechts. Die existenzielle Frage für SPD und Grüne ist nicht die der PDS-Tolerierung, sondern ob sie überhaupt noch genügend Wähler finden. Das muß gegenwärtig bezweifelt werden.
Ob die PDS bei ihrem Angebot bleibt, einer rot-grünen Regierung in Berlin eine faire Chance zu geben, hängt auch von dem Zustand ab, in dem sich SPD und Grüne befinden. Marian Krüger ‚/B‘Der Autor ist innenpolitischer Sprecher des PDS-Landesvorstandes
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