Nato bereitet Seeblockade in der Adria vor

■ Kriegschiffe sollen verhindern, daß Jugoslawien weiterhin Treibstoff für seine Armee bekommt. Rußland spricht der Nato das Recht ab, militärisch gegen Tanker vorzugehen

Die Nato will den Serben jetzt endgültig den Ölhahn zudrehen. Nachdem in den vergangenen Wochen bereits die jugoslawischen Ölraffinerien und Treibstofflager bevorzugtes Ziel der Nato-Bomber waren, bereitet das westliche Militärbündnis jetzt eine Seeblokkade vor. Nato-Oberbefehlshaber Wesley Clark bekam auf dem Washingtoner Gipfel den Auftrag, ein System zur Kontrolle von Handelsschiffen auszuarbeiten. Sollte die Nato auf die strikte Umsetzung des Embargo-Beschlusses bestehen, scheint ein Konflikt mit Rußland unausweichlich zu sein. Gleich nach Bekanntgabe des Nato-Planes hatte der russische Außenminister Igor Iwanow angekündigt, daß sein Land das Embargo ignorieren werde. Nach dem Völkerrecht, so Iwanow, könne nur der Sicherheitsrat der vereinten Nationen solche Sanktionen verhängen.

Zuvor schon hatten sich am Freitag die EU-Außenminister auf ein Öl-Embargo für Jugoslawien geeinigt. Aus den EU-Mitgliedsstaaten dürfen demnach kein Erdöl oder andere Ölprodukte mehr nach Jugoslawien geliefert werden.

Aufgrund des EU-Beschlusses, der nach anfänglichemWiderstand auch mit den Stimmen Italiens und Griechenlands zustande kam, haben inzwischen Kroatien und Rumänien Öllieferungen an die Bundesrepublik Jugoslawien gekappt. Das erklärte ein Sprecher der Nato in Brüssel. Die Adria-Pipeline via Kroatien (Omisalj-Hafen) , über die Jugoslawien bislang wichtige Teile seiner Raffinerie-Rohölversorgung sicherte, dürfte damit gesperrt sein.

Mit der Seeblockade will die Nato jetzt die übriggebliebenenSchlupflöcher schließen. Betroffen von der Blockade wird vor allem der der Hafen Bar in Montenegro sein, der über Schienenwege mit den (zerstörten) Raffinerien in Jugoslawien verbunden ist. Die Einfuhren der serbischen Teilrepublik Montenegro finden ebenfalls über diesen Adriahafen statt. Wie weit das Embargo damit unterlaufen werden kann, ist bislang offenbar auch bei der Nato unklar. Neben dem Hafen Bar mit zwei Tankeranlegern und einem Ölspeicher für 600.000 Barrel, werden noch die Häfen Kotor und Tivat betrieben, die für kleinere Tanker ausgebaut sind.

Der Versorgungsweg über die Donau dagegen ist weitgehend blockiert, da die bombardierten Brücken Hindernisse für mögliche Tankschiffe bilden. Die jugoslawische Wirtschaft und Bevölkerung ist zu 75 Prozent auf Ölimporte angewiesen. Unklar ist noch, ob auch die Pipeline „Druschba“, die Westeuropa mit Rußland verbindet, für Jugoslawien gesperrt wird. Durch diese Pipeline, die über einen Abzweig via Ungarn auch nach Jugoslawien führt, beziehen unter anderem Deutsche Unternehmen, wie der Vebakonzern ihr Rohöl.

Noch vor wenigen Tagen erst hatte Ungarn den Wunsch der USA abgelehnt, die Öl-Pipeline nach Jugoslawien zu unterbrechen. „Ungarn hat kein internationales Recht, die Ölzufuhr zu stoppen“, sagte Wirtschaftsminister Attila Chikan. Es seien keine Lieferungen aus Ungarn, sondern internationale Lieferungen. „Da es keine Entscheidung von einer internationalen Organisation über ein Embargo gibt,“ so Chikan, „exportieren die internationalen Gesellschaften Öl nach Jugoslawien“. Ob Ungarn jetzt der Argumentation der Nato folgt, daß es sich bei dem Erdöl um Waffen handele, bleibt abzuwarten. Der Nato-Staat wird sich aber kaum weigern können, den Beschluß des Militärbündnisses zu ignorieren.

Welchen Wert für Miloevic die 257.000 Tonnen Rohöl jedoch noch haben, die über die Öl-Pipeline im April bereits nach Jugoslawien gepumpt wurden, ist wegen der zerstörten Verarbeitungskapazität unklar. Denn seit den schweren Luftangriffen auf die Raffinerien nah der Provinzhauptstadt Novi Sad und die Anlagen in Pancevo bei Belgrad sind nach Angaben der Nato rund 70 Prozent der Raffinieriekapazität für Rohöl in Jugoslawien zerstört.

Ralf Peters, Sprecher des Veba-Öl-Konzerns, schließt unterdessen aus, daß deutsche Öl-Unternehmen das von den Europäischen Außenministern beschlossene Embargo gegen Jugoslawien mißachten würden. Allerdings könne er über „Zwischenhändler“ keine Angaben machen. In der Regel existiere zwischen den deutschen und internationalen Ölkonzernen ein enges Informationsnetzwerk. „Niemand wird sich seit Brent Spar in eine riskante Situation begeben“, sagte der Sprecher mit Blick auf öffentliche Reaktionen im Falle ungeprüfter Lieferungen. Er betonte weiter, daß zwischen den Konzernen und Abnehmern langfristige Lieferbeziehungen bestünden. „Wenn plötzlich ein neuer Kunde große Mengen Öl kaufen will, würden wir dem nachgehen“, versicherte Peters.

Ein Streitpunkt wird die Rechtsgrundlage des Nato-Beschlusses sein. Während Nato-Kreise sich auf das bestehende UN-Waffenembargo gegen Belgrad berufen, äußerten selbst westliche Staatsführer im Vorfeld Zweifel an der Rechtsmäßigkeit einer Öl-Blockade. So hatte der französiche Staatspräsident Chirac anläßlich der Debatte über das EU-Embargo noch darauf hingewiesen, daß keine Möglichkeit bestände, Tankschiffen, die nicht unter EU-Flagge fahren, die Einfahrt in den montenegrischen Hafen Bar militärisch zu versperren. In Brüssel hieß es, Tanker unter Panama-Flagge könnten in jedem Fall die Versorgung Jugoslawiens unterstützen. Die Nato hingegen wird nicht zögern, ein panamesisches Tankschiff gewaltsam aufzubringen. Aber wird sie auch die Seeblockade bei einem Schiff unter russischer Flagge durchsetzen? Peter Sennekamp, Brüssel/ Wolfgang Löhr, Berlin