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Anatomie eines Akkordes

■ Zu Ehren von Duke Ellington: Das Metropolis zeigt Dokumentationen und Soundies

Duke Ellington war nicht nur ein Phänomen, sondern auch eine visuelle Erscheinung. Als Bonvivant, Charmeur, Spieler, Zoot-Suiter spiegelte sich seine musikalische Eleganz gleichermaßen in seinem Auftreten: Modenarr, der er war, wechselte der ehemalige Schildermaler auf der Bühne nach jeder Pause mindestens die Krawatte, wenn nicht seinen Anzug und sorgte für Gesprächsstoff weit über Harlem hinaus. Schon als Schüler besaß der Sohn eines für das Weiße Haus arbeitenden Butlers und Kutschers Edward Kennedy Ellington angeblich so viel Noblesse, daß er sich den Spitznamen The Duke einhandelte.

Weit mehr als der alle Onkel-Tom-Klischees bedienende Louis Armstrong war der Pianist, Bandleader, Komponist und Arrangeur Ellington das große Genie des tonalen Jazz. Er verköpert das Modernisierungsversprechen des 20. Jahrhunderts als afroamerikanisches Selbstbewußtsein der Harlem Renaissance, für das vielleicht sogar Jazz als genuin urbaner und amerikanischer Synkretismus einsteht. Als der Civil-Rights-Aktivist 1941 seine Jump for Joy-Show mit der schwarzen Schauspielerin Dorothy Dandridge aufführte, weigerten sich die weißen Label-Bosse, solche politischen Texte auf Platte festzuhalten. Die schwarze Presse hingegen jubelte: Zum ersten Mal könne man als Schwarzer aus einer schwarzen Show mit schwarzen Schauspielern erhobenen Hauptes hinaustreten.

Im Metropolis wird der Duke nun mit einigen Dokumentarfilmen und filmhistorischen Schmankerln geehrt, die man sich nicht entgehen lassen sollte: Ellington muß man eben auch sehen, außerdem ist er Teil derselben populären Moderne wie das Kino selbst. Legendär ist seine Filmmusik zu Premingers Anatomy Of A Murder, interessanter aber sind seine Kurzfilme aus den 30er Jahren und jene Soundies oder Nickel-in-the-slot-movies, dreiminütige Proto-Clips, mit denen in den 40er Jahren Musikfilm-Jukeboxes bestückt waren.

In den Kurzfilmen inszeniert sich Ellington als ernstzunehmender Komponist, der selbstbewußt und notenschreibend am Klavier sitzt. In Black & Tan nutzt Dudley Murphy, der auch mit Man Ray gearbeitet hat, den spiegelnden Tanzboden des Apollo Clubs, um zur Musik Ellingtons und seiner Tänzer ein Stück abstrakt-kaleidoskopische, visuelle Musik hinzuzufügen, wie man sie sonst nur aus den vertrackten Choreographien Berkeleys oder Minnellis kennt. Und wenn am Ende der dramatischen Geschichte eine seiner Tänzerinnen auf dem Sterbebett noch einmal zu Ellington aufblickt und sich die todtraurige Black & Tan Fantasy wünscht, blickt er entrückt wie ein schwarzer Moses in die ungewisse Zukunft seines geknechteten Volks. Symphony in Black – Rhapsody of Negro Life ist genau das und konfrontiert schräge Bühnenbilder mit Aufnahmen des harten Loses schwarzer Arbeiter an den Hochöfen des Nordens, denen die große Billie Holiday im letzen Teil eine Stimme verleiht.

Die Soundies waren eine auf 5mm-Film gedrehte und auf 16mm runterkopierte kuriose Vorform des Videoclips, die mittels eines Spiegelssystems auf eine Glasplatte projeziert wurden. Zwischen 1940 und 1947 wurden über 2000 Soundies gedreht – Comedy-Nummern, Country & Western, patriotisches Liedgut und Anti-Nazi-Propaganda. Ellingtons Jazznummern gehören sicher zu den schönsten Beispielen dieses schnell untergegangenen Mediums: filmisch wie musikalisch. Und in dem After-Hours-Bar-Setting von Jam Session: C Jam Blues treten sie alle nacheinander für ein kurzes Solo ins Bild: Rex Stewart an der Trompete, Ben Webster am Tenor, Joe Nanton an der Posaune, Barney Bigard an der Klarinette. Wer hätte dafür nicht ein paar Cents übrig gehabt?

So, 2. Mai, 19 Uhr („Dokumentarfilme und Raritäten“), 21.15 Uhr („Soundies“), Metropolis

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