■ Rudolf Scharpings Informationspolitik in Zeiten des Krieges
: Die Schlacht der Bilder

Bundesverteidigungsminister Scharping hat vorgestern Bilder von toten Kosovo-Albanern der Presse vorgeführt. Man sieht darauf grausam verstümmelte Leichen. Scharping will damit etwas beweisen: Weil diese Aufnahmen bereits Ende Januar gemacht wurden, belegen sie, daß die ethnischen Säuberungen vor dem Nato-Bombardement begannen. Das ist unbestreitbar richtig – und außer der serbischen Propaganda und einigen wenigen naiven Friedensfreunden hat das auch niemand je bestritten.

Scharping präsentierte diese Fotos wie eine Antwort – aber die politische Frage lautet ganz anders. Nämlich, ob die Nato-Bomben die ethnischen Säuberungen nicht nur nicht verhindert, sondern beschleunigt haben. Dazu würde man gern etwas von Scharping hören. Doch der Minister läßt lieber Bilder sprechen, als sich mit kniffeligen politischen Fragen zu beschäftigen.

Darf man diese Fotos also nicht öffentlich machen? Doch, natürlich. Allerdings ist auch dies die falsche Frage; denn diese Bilder, die Scharping als Sensation präsentierte, wurden bereits veröffentlicht – von der Nachrichtenagentur Reuters am 29. Januar. Aber davon wußte der eifrige Minister nichts. Liest man im Verteidigungsministerium keine Zeitungen?

Es ist nicht die Aufgabe des Ministers, für den moralischen Oberton zu sorgen, sondern zu informieren. Zum Beispiel darüber, ob es gesichertes Wissen gibt, was zuvor geschah. Laut Reuters waren die Toten überwiegend UÇK-Kämpfer, die Aktion Rache für einen Anschlag auf einen serbischen Offizier. Zeigen diese Bilder also das Ergebnis einer terroristischen Aktion der Serben in einem Bürgerkrieg – oder zeigen sie ein Massaker an der Zivilbevölkerung? Oder beides? Scharping suggeriert, daß diese Bilder zweifelsfrei beweisen, daß die Nato-Politik richtig ist. Aber das stimmt nicht. Seine Präsentation dieser Bilder zeigt vielmehr eine ungute Mischung von mangelnder Sachkenntnis und einem tremolohaft vorgetragenen Moralismus. Ein deutscher Verteidigungsminister im Krieg, der offenbar nicht so recht weiß, wovon er redet – das ist kein gutes Zeichen.

Scharpings Gestus der Betroffenheit, sein gleichbleibend hoher moralischer Ton, die Ungenauigkeit in den Details – das sind Attribute, mit denen man in den 80ern gern die deutsche Friedensbewegung versah. Viel Gefühl, wenig Analyse. Auf eine merkwürdige Art und Weise scheint die deutsche Neigung zum Apokalyptischen auf der Hardthöhe angekommen zu sein. Stefan Reinecke