: Drama in 68 Akten
■ Wegen Aktenklau: Strafbefehl gegen Kritischen Polizisten beantragt
Die Hamburger Staatsanwaltschaft hat gegen den Sprecher der Bundesarbeitsgemeinschaft Kritischer PolizistInnen, Thomas Wüppesahl, Strafbefehl beantragt. Wenn das Gericht zustimmt, drohen Wüppesahl zehn Monate Gefängnis. Er soll als Fahnder des Dezernats für „Kfz-Schiebereien“ des Landeskriminalamts (LKA 234) insgesamt 68 Ermittlungsakten entwendet haben.
Der Akten-Schwund war 1997 entdeckt worden. LKA-234-Chef Klaus Gneckow behauptet, er habe damals einem Kollegen Wüppesahls, dem Sachbearbeiter Hermann Bünning, den Karton mit den 68 Vorgängen übergeben, die dieser angeblich mit in sein Urlaubsdomizil in Österreich nehmen wollte. Bünning bestreitet das. Das Verfahren gegen ihn wegen Verwahrungsbruchs wurde eingestellt.
Brisanz bekam der Vorgang, als im August vorigen Jahres 22 LKA-Akten den Medien und Gneckow zugesandt wurden. 15 davon gehören zu dem verschwundenen Aktenbestand, sieben andere waren bis dato gar nicht vermißt worden. Das „Dezernat Interne Ermittlungen“ (DIE) nahm das Verfahren gegen Bünning wieder auf; ins Visier der DIE-Fahnderin Alexandra Mross geriet aber zunehmend Wüppesahl, der die schlampige Aktenverwahrung im LKA 234 dem Datenschutzbeauftragten angezeigt hatte. Kurios: DIE-Ermittlerin Mross war 1996 selbst beim LKA 234 als Praktikantin tätig und damals auf eine positive Beurteilung Gneckows angewiesen.
Hausdurchsuchungen bei Wüppesahl und Bünning erbrachten nichts (taz berichtete). Fingerabdrücke der beiden Verdächtigten wurden nicht auf den sichergestellten Umschlägen gefunden, die Speichelproben an den Briefmarken erbrachten auch keine Übereinstimmung. Bünnings Urlaubs-Häuschen, wo sich die Akten befinden sollten, wurde nicht einmal durchsucht. Denn nur Wüppesahl, „der jeglichen Mißstand in der Hamburger Polizei sofort zum Thema macht“, so Mross in einem Bericht, verfüge über Medienkontakte, um die Schlampereien öffentlich zu machen. Ihr Ex-Vorgesetzter Gneckow scheide für sie als Verdächtiger aus.
Wüppesahl strebt nun einen Prozeß an. „Dann“, hofft er, „müssen Gneckow und Mross unter Eid aussagen.“ Magda Schneider
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen