: Bundeswehr rüstet für die Zukunft
Während die Bundeswehr ihren ersten Kampfeinsatz absolviert, hat Scharpings illuster besetzte Zukunftskommission die Arbeit aufgenommen ■ Aus Bonn Bettina Gaus
Die Zukunftskommission der Bundeswehr, die bis zum Herbst des Jahres 2000 Vorschläge für die künftige Struktur der Streitkräfte entwickeln soll, hat gestern ihre Arbeit aufgenommen. Geleitet wird das Gremium vom ehemaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker.
Die Liste der weiteren 20 Kommissionsmitglieder, die Verteidigungsminister Rudolf Scharping berufen hat, liest sich wie ein Almanach zur Zeitgeschichte: Ignatz Bubis, der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, gehört dazu, auch der Publizist Theo Sommer, der ostdeutsche Politiker Lothar de Maizière, der Theologe Richard Schröder und die ehemalige grüne Bundestagsabgeordnete Waltraud Schoppe.
Gefordert hatte die SPD eine Wehrstrukturkommission schon seit Jahren. Die veränderte Aufgabenstellung für die Streitkräfte nach dem Ende des Kalten Krieges und die wachsende Zahl von Auslandseinsätzen machen aus ihrer Sicht tiefgreifende Veränderungen bei der Bundeswehr notwendig. Die gesamte Planung der Bundeswehr gehöre auf den Prüfstand, sagten SPD-Wehrexperten, als sie noch in der Opposition waren. Ziel war es von Anfang an, die Kommission mit Persönlichkeiten aus möglichst vielen gesellschaftlichen Bereichen zu besetzen. Damit, so die Hoffnung der SPD, würden die Voraussetzungen für eine breite öffentliche Debatte über den Auftrag der Streitkräfte geschaffen.
Minister Scharping hat allerdings bereits in den ersten Monaten seiner Amtszeit deutlich gemacht, daß er strukturelle Änderungen nur behutsam einführen will. Ein Grund dafür liegt in der Tatsache, daß für die derzeit 340.000 Angehörigen der Streitkräfte Planungssicherheit und Vertrauensschutz gewährleistet bleiben müssen.
So wird in Bonn nicht damit gerechnet, daß noch in dieser Legislaturperiode größere Reformwerke ins Haus stehen. Scharping erklärte gestern, die große Bedeutung des Strukturwandels verlange besondere Sorgfalt. „Was wir heute beginnen, wird die Bundeswehr nachhaltig und voraussichtlich für einen Zeitraum von länger als einem Jahrzehnt prägen.“
Die Zukunftskommission hat eine heikle Aufgabe, denn fast jedes der anstehenden Themen birgt Zündstoff: Personalstärke, Beibehaltung oder Abschaffung der Wehrpflicht und Etatfragen werden erörtert werden müssen – letztere auch unter dem Gesichtspunkt, daß die Bundeswehr seit langem über veraltete Waffensysteme und zuwenig Geld für Neuinvestitionen klagt.
„Die Soldaten stoßen mit dem Helm an die Decke“, hat Scharping in den letzten Monaten mehrfach gesagt und Kürzungen seines Etats kategorisch abgelehnt. Sein Parteifreund Volker Kröning, SPD-Haushaltsexperte, geht dagegen davon aus, daß der Etat in den nächsten Jahren leicht sinken könne. Er will die Personalstärke der Bundeswehr auf 270.000 Mann reduzieren. Da sind Konflikte programmiert.
Die Kommission soll ihre Arbeit unbeeinflußt vom Streit der Ressorts und der Parteien tun können. Aktive Politiker und Militärs gehören ihr nicht an. Es gebe keine Denkverbote, alles könne in Frage gestellt werden, heißt es auf der Hardthöhe.
„In der Auswahl der sicherheitspolitischen Beratungsfelder ist die Kommission frei“, teilt das Verteidigungsministerium mit. „Grundlagen ihrer Arbeit sind die Einbindung Deutschlands in die Nato, die Verstärkung der außen- und sicherheitspolitischen Fähigkeiten der Europäischen Union und die Unterstützung der Vereinten Nationen, der OSZE und der Programme für Partnerschaft und Kooperation durch Deutschland.“
Die Zukunftskommission, die ihre Ergebnisse bis zum 15. September 2000 vorlegen soll, darf allerdings nur nachdenken und beraten – nicht entscheiden. Welche Pläne am Ende tatsächlich umgesetzt werden, beschließen Regierung und Parlament.
Die Kommission hat eine heikle Aufgabe. Fast jedes Thema birgt Zündstoff: Personalstärke, Abschaffung oder Beibehaltung der Wehrpflicht, Etatfragen
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