: Eichel spart und wird verhauen
■ Finanzminister will alle Haushaltsposten überprüfen und 2,3 Milliarden Mark einsparen. Neuverschuldung hält sich in Grenzen. „Professionelles Genörgel“ von der Opposition
Bonn (rtr) – Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) hat zum Auftakt der Haushaltsberatungen des Bundestags einen harten Sparkurs ohne jedes Tabu angekündigt. Eichel sagte am Dienstag, der Marsch in den Schuldenstaat müsse gestoppt werden. Schon jetzt zahle der Bund jeden Tag 225 Millionen Mark Zinsen. Deshalb müßten alle Ausgaben, Leistungen und Subventionen auf den Prüfstand. CDU/CSU und FDP erklärten, der Etat 1999 zeige, daß die Bonner Koalition schon nach siebenmonatiger Amtszeit gescheitert sei.
Der erste rot-grüne Haushalt, der größtenteils noch auf den Ansätzen der alten Koalition beruht, sieht Ausgaben von 485,7 Milliarden Mark vor. Der Anstieg um 29 Milliarden Mark gegenüber 1998 beruht vor allem auf Sonderausgaben wie der Erhöhung des Staatszuschusses zur Rentenversicherung. Um diese Ausgaben bereinigt beträgt das Plus lediglich 1,2 Prozent. Zu den wichtigsten neuen Akzenten gehören Einsparungen von 2,3 Milliarden Mark über alle Ressorts hinweg. Die Neuverschuldung sinkt um 2,9 Milliarden auf 53,5 Milliarden Mark. Damit liegt sie wie in der Verfassung vorgeschrieben deutlich unter der Summe der staatlichen Invesititionen von 58,2 Milliarden Mark.
Der Minister räumte ein, daß das Wirtschaftswachstum 1999 mit voraussichtlich gut eineinhalb Prozent nicht reichen werde, um die Arbeitslosigkeit deutlich zu senken und die Finanzlage des Bundes wesentlich zu verbessern. Deshalb müsse der Sparkurs durch strukturelle Reformen, arbeitsmarktpolitische Maßnahmen und die anstehende Steuerreform ergänzt werden, sagte er.
Union und FDP bezeichneten den Etat als Eingeständnis des Unvermögens der Bundesregierung. Der stellvertretende CDU/CSU-Fraktionschef Friedrich Merz verwies darauf, daß der Bund 1999 Steuermehreinnahmen von 30 Milliarden Mark zur Verfügung haben werde als 1998. Das zeige, daß das Gerede über Haushaltslöcher ein Vorwand sei und Spielraum für eine große Steuerreform mit Nettoentlastung für die Steuerzahler bestehe. Der CDU-Politiker Dietrich Austermann sagte, der Haushalt sei wachstums- und beschäftigungsfeindlich, lasse Sparpotentiale ungenutzt und gehe strukturelle Probleme nicht an. Der FDP-Finanzexperte Günter Rexrodt bezeichnete den Etat als „Mischung aus Einfallslosigkeit und Langeweile“. Wer durch den Abbau von Steuervorteilen schon heute abkassiere, aber erst für 2002 eine minimale Entlastung ankündige, fördere nicht Wachstum, sondern hemme es.
Rückendeckung erhielt Eichel aus den eigenen Reihen.
Der Grünen-Haushaltsexperte Oswald Metzger erklärte, angesichts des Schuldenbergs des Bundes von 1,5 Billionen Mark sei es absolut richtig, eine Trendwende in der Finanzpolitik einzuleiten. Der SPD-Abgeordnete Hans- Eberhard Urbaniak sagte, die „wahren Schuldenmacher“ seien die, die heute auf der Oppositionsbank säßen.
SPD-Vizefraktionschef Joachim Poß kritisierte zudem das „profesionelle Genörgel“ der Wirtschaftsverbände. Es sei richtig, daß die Firmensteuersätze in Deutschland zu hoch seien. Verschwiegen werde aber, daß es nirgendwo so viele Steuervergünstigungen wie in Deutschland gebe.
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