: Der Nato-Strategie fehlte die Glaubwürdigkeit
■ Das Londoner Institut für Strategische Studien kritisiert das Zögern des Bündnisses. Das Kosovo werde Teil Jugoslawiens bleiben, doch am Ende „faktisch unabhängig“ sein
Die Nato-Strategie hat im Kosovo versagt. Dies ist, kurz und knapp formuliert, das Urteil des Internationalen Instituts für Strategische Studien (IISS) zu den Lehren, die das westliche Verteidigungsbündnis aus Fehlern im Umgang mit dem Konflikt im Süden Serbiens ziehen muß.
Am Dienstag stellte die renommierte Forschungseinrichtung ihren Jahresbericht vor. Die westlichen Strategen, fordert das IISS, müßten künftig in solchen Fällen ihrer Diplomatie mehr Nachdruck verleihen – und zwar mit einer glaubwürdigen Androhung von Gewalt.
Die monatelange Unentschlossenheit der Nato habe Jugoslawiens Staatschef Slobodan Miloevic zu einem „Pokerspiel“ im Kosovo ermutigt, urteilt das IISS.
Das lange Zögern der Nato habe starke Zweifel an der Kombination von Diplomatie und Gewalt aufgeworfen, so die Experten des IISS. „Diktatoren werden immer pokern, solange sie nicht davon überzeugt sind, daß ein Krieg sie letztendlich dazu zwingen wird, eine ungünstigere politische Lösung zu akzeptieren als jene, die ihnen von der Diplomatie allein in Aussicht gestellt wird“, heißt es in dem Bericht.
Die IISS-Experten sind überzeugt, daß Miloevic dem Friedensvertrag von Rambouillet zugestimmt hätte, wenn er vorausgesehen hätte, daß die Nato ihre Kriegsdrohung verwirklichen würde. Nach Überzeugung des IISS zielte Miloevic von Anfang an auf eine Teilung des Kosovo. Er habe vorgehabt, den Druck auf die Kosovo-Albaner zu erhöhen, bis diese den nördlichen Teil der Provinz aus eigenen Stücken verließen und die derzeitige serbische Minderheit dort die Mehrheit der Bevölkerung stellen würde.
Die Zukunft des Kosovo nach den Nato-Angriffen steht für das IISS bereits fest. Die Provinz werde de facto unabhängig, bleibe aber rechtlich Teil der Bundesrepublik Jugoslawien. Die Kosovo-Albaner werden nach Ansicht der Experten ihre eigenen politischen Vertretungen wählen.
Möglich sei auch eine eigene albanische Polizei, die sich aus dem Kern der UÇK zusammensetzen könnte. Angesichts der Geschichte der Region erscheine westlichen Politikern ein solches Szenario durchaus akzeptabel. Doch das IISS warnt eindringlich, daß das Kosovo damit politisch instabil bleibe und die andauernde Präsenz internationaler Truppen erforderlich sei. AFP
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen