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Grüne: Streit um Feuerpause

Grüne wollen Resolution zum Kosovo beschließen. Im ersten Entwurf wird eine befristete Aussetzung der Bombardements gefordert. Trittin ist dagegen  ■   Aus Bonn Bettina Gaus

Wenige Tage vor dem mit Spannung erwarteten Parteitag von Bündnis 90/Die Grünen will die Bundestagsfraktion heute abend auf einer Sitzung in Bonn eine Resolution beschließen, in der sie Stellung zum Kosovo-Konflikt bezieht. Noch wird um Formulierungen gerungen. In einem ersten Entwurf wird neben anderen Forderungen eine befristete Aussetzung des Nato-Bombardements empfohlen, um ein politisches Signal auszusenden, einen Ausstieg aus der Eskalationslogik des Krieges zu ermöglichen und humanitäre Hilfe zu den Binnenflüchtlingen im Kosovo zu bringen.

Es ist offen, ob sich diese Forderung auch in der endgültigen Fassung der Resolution finden wird. In jedem Falle dürfte über das Papier noch heftig gestritten werden – Umweltminister Jürgen Trittin hat eine Aussetzung der Angriffe auf Jugoslawien gerade erst in einem Zeit-Interview abgelehnt. Eine Feuerpause zum Zweck der Flüchtlingsversorgung sei nur vertretbar, wenn als sicher gelten könne, daß die Serben die Helfer nicht angriffen. Diese Sicherheit sehe er aber nicht. Der Parteivorstand von Bündnis 90/Die Grünen hatte hingegen letzte Woche in einem Eckpunktepapier einen einseitigen, zeitlich begrenzten Waffenstillstand als sinnvoll bezeichnet.

Ursprünglich wollte die Bundestagsfraktion bereits am Dienstag eine Resolution zum Kosovo-Konflikt verabschieden. Mit Rücksicht auf die heute stattfindenden Beratungen der Außenminister der G 8-Staaten hatten jedoch Mitarbeiter von Außenminister Joschka Fischer die Abgeordneten gebeten, die Entscheidung zu verschieben. Die Frage, ob eine Resolution sinnvoll ist, ist auch innerhalb der Fraktion umstritten.

Werner Schulz steht einer öffentlichen Positionsbestimmung skeptisch gegenüber: „Die Frage ist, ob wir unseren eigenen Leuten, also Joschka Fischer und Ludger Volmer, da etwas aufs Auge drükken sollten. Die bemühen sich ja auf diplomatischer Ebene um eine Lösung.“ Er plädiert statt dessen dafür, den Regierungsmitgliedern in internen Beratungen die Erwartungen der Fraktion deutlich zu machen. Die Fraktionsvorsitzende Kerstin Müller, die für eine „befristete Feuerpause“ plädiert, hat sich dagegen „massiv“ für die Resolution eingesetzt: „Nach sechs Wochen Bombardierungen ist es einfach richtig, daß wir kritische Bilanz ziehen.“

„Für mich ist das auch eine Frage des Rollenverständnisses der Fraktion“, meint Christian Sterzing, Autor des ersten Entwurfs. Die unterschiedlichen Aufgaben von Regierung, Partei und Fraktion müssen aus seiner Sicht „deutlicher geklärt und abgegrenzt“ werden. Er wünscht sich eine Positionsbestimmung der Fraktion, die „kompatibel ist mit der Regierung, aber nicht deckungsgleich“.

Daß dieses möglich ist, glaubt auch der Fraktionsvorsitzende Rezzo Schlauch. Unter diesen Umständen sei eine Resolution „nicht schädlich“. Auch im Blick auf den Parteitag ist aus Schlauchs Sicht vor allem wichtig, daß eine mögliche Forderung nach einem einseitigen Waffenstillstand „nicht in Widerspruch zum Fischer-Friedensplan“ gerät.

Während der genaue Text der Resolution also noch Zündstoff birgt, führt die geplante Entsendung weiterer Bundeswehrsoldaten nach Albanien und Makedonien, die morgen vom Parlament beschlossen werden soll, nicht zu grundsätzlichem Streit innerhalb der Fraktion.

Hans-Christian Ströbele, einer der entschiedensten Gegner der Nato-Bombardierungen, sieht in diesem Zusammenhang „nicht die Schärfe wie bei anderen Themen“. Auch die Ausländerbeauftragte Marieluise Beck hat nicht den Eindruck, daß der Grundsatzstreit über diese Frage ausgetragen wird. Bündnisgrüne ganz unterschiedlicher Überzeugungen seien übereinstimmend zu der Erkenntnis gekommen, daß die Flüchtlingskatastrophe so „apokalyptische Formen“ angenommen habe, daß Hilfsorganisationen allein die Lage nicht bewältigen können.

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