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Titelkampf auf dem Therapeuten-Markt

■ Psychotherapeut mahnt mehrere Heilpraktiker ab, weil sie weiter mit dem Titel „Psychotherapeut“ warben: Erste Auswüchse des neuen Psychotherapeutengesetzes

Die Abmahnung traf Martina Weber (Name geändert) „wie eine Faust ins Gesicht“. Die Heilpraktikerin sollte plötzlich mehrere hundert Mark zahlen – weil sie trotz neuen Gesetzes weiter mit dem Titel „Psychotherapeutin“ in einer Anzeige warb. „Irreführende Werbung“, urteilte ein gewisser Rechtsanwalt Hanno von Freyhold – und mahnte stellvertretend für seinen im Wettbewerb „beeinträchtigten“ Mandanten Tim Budde, Psychotherapeut im Viertel, eine teure Unterlassungserklärung an.

Der Angriff ist kein Einzelfall: Sieben Heilpraktiker bekamen Post vom selbem Adressaten. „Ein Unding“, sagen Betroffene zum „rüden Verhalten“ – ausgelöst durch das seit 1999 gültige Psychotherapeutengesetz. Danach dürfen sich Heilpraktiker mit psychotherapeutischer Ausrichtung nicht mehr „Psychotherapeut“ nennen. Der Titel ist geschützt und gilt nur noch für studierte Ärzte und Psychologen mit Zusatzqualifikation und Therapieerfahrung: Beide stellt das Gesetz jetzt gleich – und ermöglicht so den bislang benachteiligten Psychologen eine Abrechnung mit den Krankenkassen.

Mehr Versorgung für Kassenpatienten war das Ziel – und Klarheit bei den Berufsbezeichnungen. Das akzeptieren auch die Heilpraktiker. Denn sie rechnen ohnehin privat ab und dürfen laut Gesetz auch weiterhin psychotherapeutisch arbeiten. Nur der Titel fällt weg – und den hätten einige eben schlicht „aus Versehen“ im Februar und März noch in alten Anzeigen gelassen, erklären jetzt die Abgemahnten. Sie sind deshalb empört über den Angriff aus dem „anderen“ Therapeutenlager: „Ein Anruf hätte doch genügt und die Sache wäre bereinigt“.

Aber das wollte der nach neuem Gesetz anerkannte „Psychotherapeut“ und Diplompsychologe Tim Budde gar nicht: „Das sollte ein klarer Schuß vor den Bug sein“, erklärt sein Anwalt. Die harte Gangart schlug an: Viele Abgemahnte zahlten verunsichert. Nur wenige verweigerten sich. Eine Heilpraktikerin nahm für sich eine „Besitzstandswahrung für einen Übergangszeitraum“ in Anspruch. Mit Erfolg: Der Psychotherapeut ließ von ihr ab.

Mehrere Erklärungen sucht die wütende Heilpraktikerszene nun für diesen Zwischenfall: „Jugendlicher Leichtsinn“, ausgedacht von zwei „Berufsanfängern um die 30, die Geld abzocken wollten“ weil „ihre Praxen nicht laufen“. „Unfug“ sagt dazu der Beschimpfte Tim Budde – und beruft sich stur auf die neue Gesetzlage.

„Maßvoll“ seien seine „Mittel“ nämlich gewesen: „Ich hätte auch zum Staatsanwalt gehen können“, sagt er, „aber das ist nicht meine Art“. Denn das Verhalten war eindeutig „strafbar“: Während er die neuen gesetzlichen „Standards“ für seinen Titel erfülle, „täuschen die anderen sie einfach vor“. Wer ihn jetzt zum einzigen „Buhmann“ mache, sollte besser das Gesetz anprangern.

Denn das sollte eigentlich neue „Klarheit für die Patienten schaffen“, erklärt Hans-Joachim Schwarz, Präsident des Deutschen Psychotherapeutenver-bandes – um unterscheiden zu können zwischen „Psychotherapeuten“, die mit anerkannter Psychoanalyse und Verhaltenstherapie arbeiten und Heilpraktikern, die gesetzlich nicht abgesegnete Therapieformen anbieten. Trotzdem hätte man den Heilpraktikern etwas Zeit lassen können, sagt Schwarz zum aufgebrachten Tim Budde. Und auch Dr. Gert Schöfer von der zuständigen Bremer Prüfbehörde sagt: „Auch wir warten erstmal ab“.

Doch das Therapeuten-Anwalt-Duo will weiter die Augen offen- halten. Da seien doch zum Teil „echte Scharlatane“ am Werk, sagt der Anwalt. Da müsse man doch weiter beobachten, ob sich auch wirklich die „Spreu vom Weizen“ getrennt hat. kat

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