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Paradies für Talentscouts

■ Beim C-Jugend-Fußballturnier in Bad Oldesloe trifft sich die europäische Nachwuchselite

Gut gelaunt begrüßen sich die beiden nobel gekleideten Herren, zücken ihre Stifte und Notizblöcke und nehmen akribisch ihre „Ware“ in Augenschein. Dazu pflegen sie den üblichen Branchenklatsch: „Der könnte einer werden“, meint der eine. „Zu langsam“, erwidert der andere. Ihr Thema: Fußball. Genauer: Potentielle Talente. Beim größten deutschen Jugendturnier der 13- und 14jährigen, das seit Mittwoch in Bad Oldesloe und Bad Segeberg ausgetragen wird, sind 30 Mannschaften aus fünf Ländern am Start. Neun Bundesliga-Nachwuchsteams, darunter Borussia Dortmund, Bayern München, VfB Stuttgart und Borussia Mönchengladbach, sowie der französische FC Nantes und Titelverteidiger Spartak Moskau, bieten nicht nur europäischen Spitzenfußball, sondern auch den zahlreichen Talentspähern ein gefundenes Fressen.

Das frühzeitige Erkennen zukünftiger Profikicker wird immer wichtiger. Die „Scouts“ nutzen derartige Veranstaltungen, um im Auftrag der Vereine ihre Fühler auszustrecken. Früher tat es ein Fahrrad oder ein Fernseher als Lockmittel – heute klingelt auch im Jugendbereich die bare Münze. Der Hamburger SV, nach Siegen gegen den SV Nettelnburg/Allermöhe (4:1) und IFK Göteburg (1:0) beinahe sicher für das morgige Achtelfinale qualifiziert, beschäftigt zwei „Talentfahnder“ und gibt jährlich rund zwei Millionen Mark für seine Nachwuchsarbeit aus. Das ist noch wenig verglichen mit dem Aufwand anderer Bundesligisten wie FC Bayern München (5,5 Millionen) oder Bayer 04 Leverkusen (21 Talentsichter). Doch auch der HSV hat die Zeichen der zuletzt wenig erfolgreichen Jugendförderung erkannt und wird Ende des Jahres ein vereinseigenes Fußballinternat mit 18 Appartements fertigstellen. Kosten: 5,5 Millionen Mark.

Da bei den C-Junioren noch keine Regionalliga eingeführt ist und die Spiele der „Bundesligisten“ auf Bezirksebene zumeist ohne Kraftanstrengung deutlich gewonnen werden, bekommen hochkarätig besetzte Turniere eine um so größere sportliche Bedeutung. „In kurzer Zeit sind mehrere Spiele gegen Teams vergleichbarer Stärke möglich“, erklärt Wolfgang Springer, Jugendkoordinator bei Borussia Dortmund, „da müssen auch unsere Mannschaften bis ans Limit gehen.“ Richtig interessant wird es daher erst heute, wenn ab 14.30 Uhr die Achtelfinalspiele anstehen. Auch der FC St. Pauli hat nach einem Sieg (10:0 gegen TSV Reinbek) und einer Niederlage (0:2 gegen FC Nantes) noch gute Aussichten, die nächste Runde zu erreichen.

Doch nicht allein der Fußball sorgt für Unterhaltung. Schon die selbsternannten Trainerikonen der Bundesliga-Nachwuchs-Teams sind die kurze Reise wert. Sehr zu empfehlen: der Gladbacher Coach Roland Virkus. Wild gestikulierend und mit blutigen Stimmbändern staucht er seine Spieler ordentlich zusammen. Sein Pendant beim FC Bayern hingegen, Franz Beckenbauer-Sohn Stephan, gibt in Anzug und Krawatte heroisch seine Anweisungen. Die Spieler des aktuellen deutschen C-Jugendmeisters sind bereits Profi genug, ihre Emotionen zu unterdrücken. Tore werden nicht bejubelt – das gibt es nicht mal im Fernsehen.

Oliver Lück

Heute ab 9.30 Uhr Gruppenspiele im Travestadion in Bad Oldesloe (u.a. Spartak Moskau, Bayern München, FC St. Pauli, FC Nantes) und im Eintrachtstadion in Bad Segeberg (u.a. SV Werder Bremen, Borussia Dortmund, Hamburger SV), ab 14.30 Uhr Achtelfinale. Sonnabend ab 10 Uhr Viertelfinale/Halbfinale in Bad Oldesloe. Sonntag ab 9.15 Uhr Endspiele in Bad Oldesloe

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