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Ärger über Wohlfahrten à la AWO

■ AWO-Vertreter aus Bremerhaven fordern Aufklärung der Vorwürfe / AWO-Geschäftsführer: Flutopfer-Spenden für einen Altenheimbau in Danzig zu verwenden wäre „nicht richtig“

Die Bremerhavener Vertreter im Landesvorstand der Arbeiterwohlfahrt haben schwere Vorwürfe gegen die Leitung des Landesverbandes erhoben. Dabei geht es um kleine Merkwürdigkeiten wie um die Tatsache, daß die AWO-Landesvorsitzende Ute Wedemeier für ihre ehrenamtliche Funktion über ein Handy verfügt, das die AWO voll bezahlt – DM 3.172,88 seien da in Jahre 1998 angefallen, das sei „mehr als beträchtlich“, finden die Bremerhavener. „Wir fragen, ob es sich da nicht um eine Selbstbedienung handelt“, denn der Landesvorstand hatte das Handy nicht beschlossen und seine Vorsitzende auch nicht vom „Insichgeschäft“ im Sinne des BGB 181 befreit. Ute Wedemeier hatte auf Nachfragen der taz erklärt (vgl. taz 7.5.99), sie wisse nicht, welche Beträge da anfallen, die AWO zahle pauschal die Rechnung.

Zweiter Vorwurf: Der Landesverband der AWO hatte offenbar nicht aus Versehen im Sinne eines Buchungsfehlers Provisionen der Hapag Lloyd für Seniorenreisen auf sein Konto verbucht, sondern das Geld auch gezielt verwendet – für Malerarbeiten im Hause des Kreisverbandes. Da der gesamte Etat des Landesverbandes nicht mehr als ca. 100.000 Mark im Jahr beträgt, hätte auch die kleinere Summe von etwa 8.000 Mark auffallen müssen. Und: „Wer hat der Hapag Lloyd das Konto des Landesverbandes gegeben?“ fragen die Bremerhavener.

Auch eine große Summe hätte eigentlich auffallen müssen: Die AWO hatte 88.000 Mark aus einer Spendensammlung für Flutopfer in Südpolen an die Caritas überwiesen, die damit offene Rechnungen des Altenheimes „Johannes Paul II“ in Danzig bezahlte. Vom ersten Spatenstich an war das Altenheim-Projekt, das aus Bremen unterstützt wird, von Finanzierungssorgen begleitet gewesen. AWO-Geschäftsführer Hans Taake sei im November 1998 in Danzig gewesen und dort auf einen akuten Finanzengpaß angesprochen worden, erklärt der neue Geschäftsführer Burkhard Schiller den Vorgang, und da habe er offenbar unbürokratische Hilfe zugesagt. Die Landesvorsitzende Ute Wedemeier hatte, wie sie selbst erklärte, davon keine Kenntnis gehabt. Über die Überweisung, die heute als „Kredit“ bezeichnet wird, gibt es auch keinerlei schriftliche Vereinbarungen. Ob Taake dafür eine Zinsregelung vereinbart hat ist AWO-Geschäftsführer Schiller auch heute noch nicht bekannt.

Eine „lückenlose Aufklärung“ fordern nun die Bremerhavener AWO-Vorstandsmitglieder über den ganzen Komplex Flutopfer-Gelder. Der Landesvorstand habe nie beschlossen, Flutopfer-Gelder in Bonn beim Bundesvorstand anzufordern, der Landesverband sei auch nie in Polen tätig gewesen. Im Gegenteil: Der Landesverband habe es ausdrücklich abgelehnt, die Tätigkeiten von Ute Wedemeier in Polen, für das sie das Handy erhalten hatte, als Landesverbandsprojekte zu übernehmen.

Landesvorsitzende Ute Wedemeier hatte in einer ersten Reaktion erklärt, sie wisse von der Überweisung der Flutopfer-Gelder auf das Caritas-Konto in Danzig nichts, es müsse sich um einen Buchungsfehler handeln. In einer Stellungnahme nach der taz–Veröffentlichung am 7. Mai hatte sie im Namen des Landesvorstandes erklärt, der Caritas seien die 88.000 Mark „als Kredit zur Verfügung gestellt“ worden. Dem AWO-Bundesverband war allerdings nicht mitgeteilt worden, daß dessen Gelder zwischenzeitlich anders verwendet wurden.

Die AWO leiste „bereits jetzt unbürokratisch und unmittelbar Hilfe bei der Bewältigung der aktuellen Krisensituation in den vom Hochwasser betroffenen Regionen Brandenburgs“, hatte der 1997 in seinem Spendenaufruf geschrieben. Flutopfer-Spenden flossen unter dem Eindruck der Fernsehbilder reichlich – für ein Altenheim in Danzig? „Dann wären die Spenden nicht richtig verwendet worden“, sagt dazu heute auch der neue AWO-Geschäftsführer Burkhard Schiller. K.W.

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