: Aventis kommt im Herbst
Beschleunigte Fusion von Hoechst und Rhône-Poulenc ist beschlossene Sache ■ Aus Frankfurt/Main Klaus-Peter Klingelschmitt
Schneller fusionieren, so wie es der Scheich von Kuwait schon immer wollte, ist jetzt die Devise der Hoechst AG. Immerhin verfügt die Kuweit Petroleum Corporation (KPC) über knapp ein Viertel der Aktien von Hoechst. Gestern nun verkündete der Vorstandsvorsitzende der Hoechst AG, Jürgen Dormann, den „beschleunigten, vollständigen Zusammenschluß“ seiner Firma mit dem französichen Chemie- und Pharmakonzern Rhône-Poulenc zum neuen Life-Science-Unternehmen Aventis. Schon im Juli 1999 soll die Fusion von den Aktionären beider Konzerne auf zwei außerordentlichen Hauptversammlungen in Frankfurt und Straßburg abgesegnet werden, im November dann der Zusammenschluß vollendet sein.
Wie von den Aufsichtsratsgremien von Hoechst und Rhône-Poulenc auch verlangt wurde, muß sich Dormann bis zu diesem Termin von einem großen Teil der traditionellen Chemieaktivitäten von Hoechst getrennt haben. Denn nach Auffassung von Analysten würden diese insbesondere in Frankreich nicht zum Life-Science-Stil der künftigen Aventis passen. Weil es dafür aber offenbar keine potentiellen Käufer gibt, wird der Rest der rein chemischen Hoechst-Werke der schon vor Jahresfrist vom Konzern abgespaltenen Celanese AG zugeschlagen. Der Fusion steht dann nichts mehr im Weg.
Dormann wird Boß von Aventis; der Vorstandsvorsitzende von Rhône-Poulenc, Jean-René Fourtou, sein Stellvertreter. Nach Abschluß aller Fusionsmaßnahmen soll das Werteverhältnis Hoechst zu Rhône-Poulenc dann 53 zu 47 betragen. Zum Trost dafür, daß der französische Konzern geringer bewertet wird, wird Straßburg der Firmensitz von Aventis.
Der neue Konzern schlägt damit zwei Fliegen mit einer Klappe. Zum einen wird so das großzügige deutsche Betriebsverfassungsrecht unterlaufen, zum anderen das Recht von Kleinaktionären, auf den zukünftigen Hauptversammlungen von Aventis sprechen zu dürfen. Das französische Aktienrecht räumt nämlich nur Anteilseignern mit einem Aktienpaket von mindestens fünf Prozent ein Rederecht ein: also vor allem den Banken und dem Scheich, nicht aber den kritischen Aktionären.
Auf der angekündigten außerordentlichen Hauptversammlung dürfte die Fusion auf breite Zustimmung stoßen. An die Aktionäre ausgeschüttet wird nämlich eine Sonderdividende in Höhe von 2,5 Milliarden Euro zuzüglich Körperschaftssteuer. 90 Prozent Jastimmen sind für die Transaktion nötig.
Weniger Zustimmung findet die Fusion bei den Beschäftigten beider Unternehmen. Sie erwarten davon nichts Gutes. Zu den Auswirkungen der Synergieeffekte auf die Anzahl der Arbeitnehmer bei Aventis wollte Dormann gestern allerdings nichts sagen. Und ob die der Celanese AG zugeschlagenen Industriekomplexe ohne die schützende Hand der dann nicht mehr existierenden Holding Hoechst am Markt überhaupt eine Überlebenschance haben, muß abgewartet werden. Immerhin: Aventis Pharma (bislang Hoechst Marion Roussel) bleibt eine deutsche Aktiengesellschaft mit Sitz in Frankfurt. Die Agrarsparte Aventis CropScience wird in Lyon ansässig sein.
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