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Rechter Wahlkampf in der Hauptstadt beginnt

Die „Republikaner“ setzen bei den Abgeordnetenhaus- und Bezirkswahlen in Berlin auf Ausländerkriminalität, Arbeitslosigkeit und Steuern. Und treffen damit auf ein Wählerpotential, von dem jeder zehnte eine rechtsextreme Einstellung hat.  ■   Von Richard Thiel

Weniger als fünf Monate bleiben noch – dann wird in Berlin gewählt. Neu zusammengesetzt werden im Oktober sowohl das Landesparlament als auch die Bezirksvertretungen. Und die Vorbereitungen dafür sind auch im rechten Lager voll im Gange: Erstmals seit dem unrühmlichen Ergebnis von 1989 machen sich die „Republikaner“ wieder Hoffnungen, ins Berliner Abgeordnetenhaus einziehen zu können.

Bereits an diesem Wochenende wollen die Reps Unterschriften für ihre Zulassung zur Wahl sammeln. Schließlich hat sich die Partei ein hohes Ziel für die Wahlen am 10. Oktober gesetzt: „15 Prozent plus x“, so die Erwartung des Landesvorsitzenden Werner Müller. Gleich nach den am 13. Juni stattfindenden Wahlen zum Europäischen Parlament wollen die Berliner „Republikaner“ in den Hauptstadtwahlkampf einsteigen. In der Parteizentrale im Bezirk Pankow bereitet man sich schon jetzt intensiv darauf vor.

Nach Auskunft des Landesgeschäftsführers, Reinhard Haese, sollen vor allem „Arbeitslosigkeit, Steuern und Ausländerkriminalität thematisiert“ werden. Damit setzen die vom Verfassungsschutz Brandenburg als rechtsextrem eingestuften „Republikaner“ auf ein entscheidendes Wählerpotential. Für Hajo Funke, Politologieprofessor an der Freien Universität, steht fest, daß „nationale und soziale Propaganda gegen Ausländer“ hauptsächlich Menschen anspreche, „die latent sozial frustriert sind“. Das gelte für Ossis und Wessis gleichermaßen, aber in der ehemaligen DDR kämen noch „traditioneller Autoritarismus“ und der „Schock“ über den Umbruch von 1989 hinzu, die sich besonders oft bei Jugendlichen in gewalttätiger Form ausdrückten.

Experten befürchten, daß die Rechtsextremisten zumindest mit ihren Themen in der Hauptstadt landen könnten. Nach einer Umfrage des Forsa-Institutes vom vergangenen Jahr hat etwa jeder zehnte Berliner eine rechtsextreme Einstellung. Insbesondere die „Angst vor einer ungewissen Zukunft“, also die Furcht vor dem Verlust des Arbeitsplatzes, führe häufig zu einer Projektion der eigenen Unsicherheit in Ausländerfeindlichkeit und zu einer nationalistischen Einstellung, erläutert Torsten Schneider-Haase von Forsa das Untersuchungsergebnis. Ob die potentielle Wählerschaft am 10. Oktober dann aber tatsächlich für rechtsextreme Parteien votiere, so Schneider-Haase, hänge von der konkreten Stimmung vor den Wahlen ab: „Wähler mit rechtsextremer Einstellung finden sich auch bei SPD, CDU oder anderen Parteien.“

Beim Landesamt für Verfassungsschutz hält man die Erwartungen der „Republikaner“ auf ein zweistelliges Ergebnis für eine „Utopie“: „Wenn die an fünf Prozent herankommen, haben sie bereits gut abgeschnitten.“ Dennoch sind die „Republikaner“, deren Mitgliederzahl der Verfassungsschutz für das vergangene Jahr mit 850 beziffert, nicht nur die personell stärkste Partei im rechten Lager. Gegenüber der rechtspopulistischen Listenverbindung aus Bürgerbund, Bürgerinitiative für Deutschland, Bund Freier Bürger und der Wählerinitiative Bürger und Kleingärtner (die taz berichtete) sind sie auch die aussichtsreichste Partei rechts der CDU.

Verschiedene Faktoren dürften die Kandidatur der „Republikaner“ begünstigen: Für den Einzug in die Bezirksverordnetenversammlun-gen reicht im Gegensatz zum Abgeordnetenhaus erstmals ein Anteil von drei Prozent. Vor vier Jahren hätte das für die extrem rechte Partei den Einzug in 12 der insgesamt 23 Bezirksparlamente bedeutet. Außerdem gibt es zwischen den „Republikanern“ und der Deutschen Volksunion (DVU) des Münchener Millionärs Gerhard Frey offen-sichtliche Wahlabsprachen, wie Ulli Jentsch vom Antifaschistischen Pressearchiv und Bildungszentrum berichtet: Bei den Brandenburger Landtagswahlen am 5. September „verzichten die ,Republikaner‘ zugunsten der DVU auf eine Kandidatur, in Berlin läuft es genau umgekehrt.“ Auf Nachfrage will jedoch keine der beiden Rechtsaußenparteien ein solches Abkommen bestätigen. Lediglich für die Wahlen in Bremen und Hessen im Juni werden ähnliche Absprachen eingestanden.

Auch sonst gibt es rege Kontakte untereinander, wie der Berliner Landesvorsitzende der DVU, Markus Nonninger, erklärt. Für die Abgeordnetenhauswahlen oder einzelne Bezirke, so Nonninger, behalte sich die Frey-Partei eine Kandidatur noch vor: „Die endgültige Entscheidung fällt erst nach der Bremen-Wahl am 6.Juni.“ Beim Landeswahlleiter hat die Partei jedoch bisher kein Informationsmaterial zur Wahlteilnahme angefordert, und Nonninger selbst ist bereits auf der DVU-Liste für den Landtag Brandenburg nominiert. Für den dortigen Wahlkampf will die rechtsextremistische Partei nach Schätzungen von Manfred Füger, Pressesprecher des Brandenburger Verfassungsschutzes, „weit mehr Gelder einsetzen als andere Parteien“. Und zwar in etwa der gleichen Höhe wie im April vergangenen Jahres in Sachsen-Anhalt – das wären rund drei Millionen Mark. Der Etat, mit dem die Berliner „Republikaner“ in den Werbefeldzug um die über 2,4 Millionen Wähler ringen wollen, beträgt lediglich ein knappes Zehntel davon.

Für den Politologen Funke ist so „gegenwärtig ein Durchbruch der Rechtsextremisten unwahrscheinlich“. Andererseits dürfe die in Berlin und Brandenburg antretende NPD nicht unterschätzt werden. Nicht wegen des Wählerpotentials, sondern „wegen ihrer neonazistischen Ideologie“.

Vor der NPD warnt auch der Rechtsextremismusexperte Jentsch. Die vom Berliner NPD-Chef Andreas Storr angepeilten zwei Prozent hält er zwar „für eine Spinnerei“, weil die Partei in der Hauptstadt kaum wahlkampffähige Strukturen besitze. Problematisch sei an der NPD aber ihre „Doppelstrategie, einerseits das militante Neonazispektrum einzubinden und parallel durch die Wahlteilnahme ihr legalistisches Bild zu wahren, um Aufmärsche durchführen und präsent bleiben zu können“.

Der Ostberliner Bezirk Marzahn, wo der ebenfalls für das Abgeordnetenhaus als Spitzenkandidat vorgesehene Storr die Liste anführt, soll dabei offenbar Schwerpunkt der Berliner NPD-Kampagne werden. Nach eigenen Angaben stehen der neofaschistischen Partei für den Wahlkampf in Berlin und Brandenburg rund 100.000 Mark zur Verfügung – „finanziert aus Einzelspenden von maximal 200 Mark“, wie Storr stolz behauptet. Das wäre jedoch fast genausoviel, wie ein internes Wahlkampfkonzept der eher finanzschwachen Partei insgesamt für den Bundestagswahlkampf im letzten Jahr vorsah.

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