: Wer Polizisten nötigt
■ Richter Schill schlägt zu: Rot Florist erhält 15 Monate Knast ohne Bewährung
Wenn Amtsrichter Ronald Schill beginnt zu sinnieren, dann geht es dem Amtsrichter oft nicht um konkrete Sachverhalte, sondern um knallharte Politik. Und so war auch der Ausgang des gestrigen Verfahrens gegen Andeas B., der vor der Roten Flora Polizisten genötigt haben soll, programmiert. Der 35jährige wurde von Schill zu 15 Monaten Gefängnis ohne Bewährung verurteilt. Schills Begründung: „Ich werde nicht zulassen, daß Chaoten und Verbrecher über Polizeibeamte triumphieren.“ Zwei Zuschauer, die protestieren wollten, verdonnerte er zu drei Monaten Ordnungshaft. Zum Urteil wurde der Saal polizeilich geräumt.
Der Hintergrund: Im Zuge der sogenannten Bekämpfung der offenen Drogenszene wollten die beiden Polizisten Matthias H. und Oliver A. vom Revier Lerchenstraße im Februar vorigen Jahres zwei mutmaßliche Junkies vor der alten Flora überprüfen. Plötzlich, so die Beamten, seien sie von „Linksautononmen umringt und bedrängt“ worden. „Hier wird nicht kontrolliert, gebt die Ausweise her, sonst gibt es mächtig Ärger“, soll Andreas B. gesagt haben. Und: „Wir lassen uns die polizeiliche Präsenz nicht länger gefallen.“
Ob die Beamten die Personalpapiere zurückgaben oder sie ihnen „weggeschnappt“ wurden, blieb unklar. Zumindest sah der damalige Einsatzleiter Timor Z., der seinen Kollegen mit mehreren Polizeiwagen zur Hilfe geeilt war, keinen Grund einzugreifen: „Ich hatte keinen Hinweis auf eine Straftat.“
Amtsrichter Schill erzürnt so etwas. „Kann es sein, daß sie die ganze Szene mit Samthandschuhen anfassen“, mutmaßte er und glaubte sogar an einen Pakt „der friedlichen Koexistenz zwischen Roter Flora und Polizei“. Sein Urteil bezeichnet Schill als „generalpräventive“ Maßnahme. Es könne doch nicht hingenommen werden, daß Polizisten von Chaoten Befehle entgegennehmen. „Hamburg ist ohnehin die Stadt, die wie keine andere mit rechtsfreien Räumen kokettiert.“
Die Staatsanwältin hatte sechs Monate auf Bewährung gefordert, Anwältin Ursula Ehrhardt auf Freispruch plädiert, weil die Ankündigung von „Ärger“ zwar Unbehagen auslösen kann, aber keine Nötigung darstelle. Die Verteidigung geht in Berufung. Kai von Appen
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