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Ost-West-Konflikt in der Fankurve

Der Berliner Fußballrasen ist zehn Jahre nach dem Fall der Mauer noch immer geteilt. Der BFC Dynamo hat vor allem Fans im Osten, Hertha BSC vor allem im Westen. Auch die Fanprojekte haben noch kein Rezept dagegen  ■   Von Katrin Cholotta

Auf dem Rasen sind sie Könige. Zwölf plus ein paar Ersatzadlige. Auf den Rängen trifft sich der Rest der Welt. Hundertschaften von Fans fahren zu den entlegensten Orten im schlechtesten Wetter, um ihre Mannschaften zu bejubeln. Manchmal verlieren die Könige ihren Thron, verliert die Mannschaft das Spiel. Und dann sind einige traurig, ziehen still nach Hause oder genehmigen sich ein Trostbier. Andere sind wütend, fahren polternd nicht nach Hause und machen ihrem Unmut durch Zerstörung Luft. Hertha-Fans sind das berüchtigte Paradebeispiel, BFC Fans das Ostberliner Pendant.

Bei der 7. Bundeskonferenz der Fan-Projekte standen diejenigen im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit, die sich sonst auf den hinteren Stehplätzen der Stadienränge lauthals einen Namen schaffen: die Fans. Organisiert von der Koordinationsstelle der Fan-Projekte bei der Deutschen Sportjugend (KOS), tagten in den vergangenen drei Tagen mehr als 60 MitarbeiterInnen aller deutschen Fan-Projekte. „Fußballfan ist nicht gleich Fußballfan und schon gar nicht Hooligan, da gibt es weitaus differenziertere Strukturen!“ erläuterte Thomas Schneider, Sozialpädagoge bei KOS. Aber in den Medien komme eben immer nur der gewalttätige Hooligan vor.

Dabei ist Fußball noch viel mehr. „Es ist das Spiegelbild der Gesellschaft“, so Schneider weiter, „der kleine Stadionbereich, in dem jeder seinem Stückchen Macht eine Stimme verleiht!“

In Berlin scheinen die Stimmen zweigeteilt: ein Spiegelbild für Ost und West.

Hertha BSC ist der Berliner Fußballclub schlechthin, aus Westberliner Sicht, wohlgemerkt. Denn ein wirklicher BFC-Fan brüllt nicht für Hertha, und der richtige Hertha-Fan ist Westdeutscher. So jedenfalls die Grundstimmung in der Podiumsdiskussion: Gibt es eine Mauer in den Fanköpfen? „Logisch, daß Westvereine mit Bananenschalen beworfen werden“, warf Titus Hopp ein, BFC-Fan mit Leib und Seele, „da stehen Leute zusammen, die sich im Alltag nicht mal mit dem Arsch angucken würden!“ Zustimmendes Gelächter erfüllte das Publikum. Es werden mögliche Ursachen analysiert. Ein Hertha-Fan spielte die Feindschaften auf „ganz normale Mannschaftsrivalitäten“ herunter. BFC-Schlachtrufe wie „Ost-, Ost-, Ostdeutschland“ als Antwort auf den Hertha-Slogan „Baut die Mauer wieder auf“ – ganz normale Rivalitäten? „Das meint doch keiner ernst“, erschallte es aus dem Publikum. Ernst wird es erst, wenn es Ausschreitungen gibt. Und die gibt es bei fast jedem Spiel. Hooligans als Ursache und völlig unpolitisch, heißt es dann in den Tageszeitungen am nächsten Morgen.

Franz Herz vom Nordostdeutschen Fußballverband (NOFV) bezeichnet die immer noch vorhandene „Kopfmauer“ als äußerst befruchtend für die Hooliganszene. „In der DDR konnte man einfach kein Hooligan sein“, so Herz, „da ist es natürlich attraktiv, weit über die Grenzen zu treten, die einem früher gesetzt wurden!“

Herz spricht dennoch von einer spezifischen Problematik der ostdeutschen Szene; die Jugendlichen müßten „erst lernen, mit Freiheit richtig“ umzugehen. Eine Antwort, wie der Graben zwischen Ost und West überbrückt werden kann, gab das Podium nicht. Selbst Fanprojekte haben bislang kein Konzept, wie sich Fans aus Ost und West näherkommen können.

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