: Der Stoff kommt aus der Schweiz
■ Nach fast vierjähriger Vorbereitungszeit beginnt eine Untersuchung, in der die Wirkung von Cannabis auf KrebspatientInnen erforscht wird
Mit zweijähriger Verspätung beginnt im Juni die bundesweit erste klinische Cannabis-Studie am Berliner Institut für für onkologische und immunologische Forschung. Unter der Leitung des Niederländers Robert W. Gorter soll an 445 KrebspatientInnen die Wirkung von Cannabis-Extrakt und dem aus Cannabis isolierten Hauptwirkstoff THC auf Appetit, Körpergewicht und Stimmungslage untersucht werden.
Insgesamt werden sich 20 Kliniken in Deutschland, Österreich, den Niederlanden und der Schweiz an der Untersuchung beteiligen. Vier Berliner Krankenhäuser sind vertreten, das Forschungsteam selbst wird PatientInnen in der Poliklinik des Krankenhaus Moabit betreuen.
Eigentlich sollte die Untersuchung bereits 1997 beginnen. „Die Bundesopiumstelle hat damals zwar die Studie genehmigt, wollte aber den Anbau von THC-haltigem Cannabis in Deutschland nicht zulassen“, sagt Martin Schnelle, der Koordinator des Projekts. Man könne den Stoff doch aus Holland importieren, lautete der Rat der findigen Bürokraten.
Das Forschungsteam bestellte die Substanz also bei einer Firma in den Niederlanden. Doch diese hatte Schwierigkeiten mit dem Export und verlor kurz vor dem Lieferungstermin auch noch ihre Lizenz.
Die Wissenschaftler sattelten noch einmal um: Nun kommen Cannabis-Extrakt und THC aus der Schweiz.
Mit ihnen werden PatientInnen, die infolge von Appetitlosigkeit innerhalb des letzten halben Jahres mindestens fünf Prozent ihres Körpergewichts verloren haben, zwölf Wochen lang versorgt. Zweimal am Tag müssen sie eine Kapsel einnehmen.
Was diese Kapsel aber enthält, das wissen sie nicht: Es kann entweder Cannabis-Extrakt, THC oder gar kein Wirkstoff sein. Auch der Arzt weiß nicht, welche Substanz dem Kranken per Los zugeteilt worden ist: So soll eine eingebildete Heilung verhindert werden.
Die PatientInnen müssen ein Tagebuch führen und dort täglich Appetit-, Übelkeits- und Stimmungslage protokollieren. Die Dosis sei zu gering für eine berauschende Wirkung, so Schnelle.
Alle zwei Wochen kommen die PatientInnen ins Krankenhaus, werden untersucht, gewogen und nach Nebenwirkungen befragt.
Schnelle geht davon aus, daß „wir bei der Wirksamkeit auf der sicheren Seite sind“, sagt er. „Bisherige Studien und auch Erfahrungen von Konsumenten haben gezeigt, daß THC den Appetit steigert und so häufig zu einer Gewichtszunahme führt.“ THC ist in Deutschland unter dem Namen Marinol auf Betäubungsmittelrezept verschreibbar, muß aber, da es hierzulande nicht hergestellt werden darf, aus den USA importiert werden. Die Krankenkassen bezahlen das Medikament daher nicht. Sabine am Orde
Zweimal am Tag müssen die Patienten eine Kapsel einwerfen, aber die Dosis ist zu gering für eine berauschende Wirkung
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