: Gehupter Spatenstich für Bitter-Trassen-Bau
■ Gestern mußte Bausenator Schulte mit Hupen statt mit Baggergrabschen den ersten Bauabschnitt für die Georg-Bitter-Straße einweihen / Grüne geben Hoffnung nicht auf
Bausenator Bernt Schulte (CDU) hatte gestern eher einen schlechten Tag. Rund 40 AktivistInnen aus der Bürgerinitiative „Hastedt und Umzu“ vereitelten mit ausdauernd-ohrenbetäubendem Lärm und fast passivem Widerstand den ersten senatorischen Spatenstich per Bagger, mit dem der Ausbau der Georg-Bitter-Straße eingeleitet werden sollte. Gebaut wird dort nun dennoch – der Senator gab sich mit einem Hupen des Baggers als Startschuß zufrieden. „Ich habe jetzt gehupt. Damit kann man sagen: Die Sache läuft“, machte Schulte das beste aus der Situation.
Mehr war allerdings auch nicht drin: Zuerst wurde Schulte von BI-Aktivisten Jan Saffe unter Rufen: „Ich hab' ihn, ich hab' ihn“ in eines der Transparente gewickelt. Demonstranten besetzten außerdem die Bagger–Schaufel. Mit Rasseln, Trillerpfeifen und Keksdosen-Getrommel versuchten sie ihren Standpunkt zu untermauern: Die Georg-Bitter-Straße auszubauen, sei „Quatsch“, „verkehrspolitischer Unsinn“ und für die Anwohner der Straße eine echte Verschlechterung der Lebensqualität. Denn mehr als 20.000 Autos sollen nach Fertigstellung der Straße Ende 2001 jeden Tag durch die derzeit noch ruhige Wohnstraße fahren.
Unter vielerlei Prominenz aus Parteien, Baudeputation und Bürgerschaft waren auch die drei Grünen Lisa Wargalla, Klaus Möhle und Karin Krusche per Taxi zur Demonstration gekommen – „Demonstrationstourismus“, lästerte ein CDU-Anhänger. „Bienenstich statt Spatenstich“ war auf dem Transparent der Grünen zu lesen, und mit Hilfe des Bäckers von Karstadt setzten die Politiker ihre Androhung in die Realität um.
„Dieser Spatenstich ist rein wahltaktisch“, gab sich Wargalla überzeugt, daß das Kind noch immer nicht in den Brunnen gefallen sei. Denn solange noch nicht über die Ausschreibung für den Hauptbauabschnitt entschieden sei, könne immer noch politisch umgesteuert werden. Der gestrige erste Spatenstich aber bezieht sich nur auf den ersten Bauabschnitt und sei lediglich eine Vorleistung für den Ausbau der Georg-Bitter-Straße: die Einrichtung einer Abbiegerspur von der Bismarckstraße in die Stader Straße. Der zweite und dritte Bauabschnitt soll erst im August eröffnet werden, der vierte erst im April 2000.
Tatsächlich, das räumt auch Schultes Pressesprecher Klaus Wedrich ein, sei die Ausschreibung für den zweiten und dritten Abschnitt erst vor ungefähr einer Woche erfolgt. Bis klar ist, wer die Bagger laufen lassen darf, ist der Wahltag vorbei. „Wenn wir dann eine rot-grüne Mehrheit hätten, könnten die mit einem neuen Bürgerschaftsbeschluß das Ganze wieder auf den Kopf stellen“, sagt Wedrich. Eine Entscheidung über die Bauträger des zweiten und dritten Abschnitts soll aber noch „Mitte bis Ende Juni“ fallen. Dennoch, sagt Wedrich, „für uns ist das heute ganz klar der Baubeginn.“
Ob die SPD in einer rot-grünen Koalition mitspielen würde, ist allerdings mehr als fraglich. „Da kommt ja unser Judas“, machte sich ein erregter Demonstrant Luft, als auch SPD-Chef Christian Weber zum Festakt auftauchte. Die Ausbau-Gegner setzen ihre Hoffnung allerdings weniger in einen Regierungswechsel, als vielmehr in den Ausgang eines Gerichtsverfahrens. Seit einem Monat liegt dem Oberverwaltungsgericht Antrag auf ein Normenkontrollverfahren vor, mit dem der Ausbau gestoppt werden soll. Hauptargument gegen die Ausbaupläne: auf Kosten der Bewohner wird ein verkehrstechnisch auch anders zu organisierendes Problem gelöst.
Der Senator verweist demgegenüber in einem neuen Faltblatt auf „vier gute Gründe für die Georg-Bitter-Straße“: Die Stader Straße werde vom Durchgangsverkehr entlastet; das TÜV-Gelände werde besser angebunden; die Straßenbahn profitiere von einem zweiten Betriebsgleis, und: Keine Staus mehr für Busse der Linie 22. Das ist dem Senat einen zweistellingen Millionenbetrag wert. cd
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