piwik no script img

Querspalte

■ Raus aus dem Knast, rein in die U-Bahn

 Die Gefangenen müssen raus! Diese Parole, einst gerufen von linken Gruppen, hat sich längst der Staat zu eigen gemacht. Denn die Knäste sind überfüllt, und die Sache mit dem Strafen wird ein immer größeres Minusgeschäft.

Darüber hat auch die Hamburger Justiz nachgedacht. In Zukunft will sie Kosten sparen, indem sie keine Schwarzfahrer mehr einsperrt. Vielmehr erwägt die Behörde, notorischen Beförderungsentgeltsparern das sogenannte Sozialticket zu verordnen, die 30 Mark teure Monatskarte für Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger.

 „Wir prüfen Möglichkeiten, einem bedürftigen und tikketberechtigten Gefangenen bei seiner Entlassung aus dem Gefängnis ein Sozialticket sozusagen ,gleich mitzugeben‘“, sagt Dr. Lore Maria Peschel-Gutzeit, die Justizsenatorin. Freie Fahrt für die schwärzesten Schafe des Nahverkehrswesens? Nein, nein, beruhigt die Ministerin: Das Geld für die Karte werde von der Sozialhilfe abgezogen – falls das rechtlich möglich sei.

 Wer wegen Schwarzfahrens in den Knast muß, verbüßt eine sogenannte Ersatzfreiheitsstrafe: Eigentlich hätte er seine Tat mit einer Geldstrafe abgelten sollen, doch da er gerade keins hat, landet er hinter Gittern. Die Zahl der Häftlinge, die wegen unentgeltlicher U-Bahn-Nutzung oder ähnlichem Pipifax (Ladendiebstahl) einsitzen, ist in letzter Zeit aus naheliegenden Gründen gestiegen. Was die Behörden besonders fuchst: Finanzschwache Kleinstkriminelle zahlen nicht nur nichts, ihr Aufenthalt kostet auch noch 180 Mark pro Tag. Die Armen, die eine Ersatzfreiheitsstrafe absitzen, rächen sich also an Rabenvater Staat.

 Mag ja sein, daß der Hamburger Strafvollzug seine Schwarzfahrer los wird, wenn sich Peschel-Gutzeits Idee durchsetzt. Aber was stellt man bloß mit den Frauen an, die immer wieder Nagellack klauen? René Martens

Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen

Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen