: Gen-Kartoffeln gedeihen in der Gesetzeslücke
■ Gentech-Firmen umgehen die EU-Richtlinie zur Freisetzung von manipulierten Pflanzen: Weil Firmen-Bauern säen und ernten, gilt nicht das Verbot der Weiterverbreitung
Berlin (taz) – Stärkeproduzenten in den Niederlanden und Schweden haben einen Weg gefunden, die europäische Freisetzungsrichtlinie für genmanipulierte Organismen zu umgehen. Während andere Unternehmen sich dem zum Teil jahrelangen europäischen Genehmigungsverfahren zur Inverkehrbringung von genveränderten Pflanzen – wenn auch widerwillig – unterwerfen, bauen das niederländische Unternehmen Avebe und die schwedische Firma Amylogene seit längerem schon genmanipulierte Stärkekartoffeln an, ohne daß eine Zulassung aus Brüssel vorliegt.
Beide Unternehmen hatten zwar schon vor drei Jahren das notwendige Genehmigungsverfahren für die neuartigen Kartoffeln, deren Stärkezusammensetzung gentechnisch verändert wurde, eingeleitet. Während der Avebe-Antrag vor kurzem von der EU-Kommission abgelehnt wurde, wartet Amylogene noch auf eine Entscheidung. Beide Kartoffelsorten, die für die industrielle Stärkegewinnung eingesetzt werden, sind mit umstrittenen Resistenzgenen für Antibiotika ausgerüstet. Kritiker fürchten, daß diese Resistenzgene auf Krankheitskeime überspringen und so in der Medizin eingesetzte Antibiotika unwirksam machen. Mehrere EU-Staaten haben deshalb dem Antrag von Amylogene ihre Zustimmung verweigert.
Trotz der fehlenden Zulassung werden die Gentech-Kartoffeln angebaut und zu Stärke verarbeitet. Mit Genehmigung der jeweiligen nationalen Behörden darf Avebe in den Niederlanden mehrere hundert Hektar und Amylogene in Schweden 600 Hektar mit den Gentech-Kartoffeln bepflanzen. Der Trick: die Kartoffeln werden – so das Argument der beiden Unternehmen – nicht an Dritte abgegeben, sondern von Vertragsbauern angebaut. Nach der Ernte müssen die Erdfrüchte sofort in der firmeneigenen Stärkefabrik abgeliefert werden. Da folglich kein Handel mit den Gentech-Kartoffeln stattfinde, sei auch keine Marktzulassung nach der Freisetzungsrichtlinie notwendig.
Für die Europaabgeordnete der schwedischen Grünen, Inger Schorling, ist dieses Vorgehen „völlig unakzeptabel“ und muß verboten werden. Und auch die deutsche grüne Europaabgeordnete Hiltrud Breyer protestierte: „So wird die Richtlinie, die dem Schutz der Umwelt und Gesundheit dienen soll, außer Kraft gesetzt.“ Wolfgang Löhr
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen