Kommentar: Kein Grund zur Kritik
■ Warum die Anklage gegen Milosevic richtig ist
Die Anklageerhebung des Den Haager Kriegsverbrechertribunals gegen Miloevic und einige seiner Genossen ist auf Kritik gestoßen: Die Aktion behindere eine diplomatische Lösung. Doch diese Kritik greift zu kurz. Die Einrichtung des Tribunals – wie jene des internationalen Strafgerichtshofs – dient einem wichtigen Zweck: Sie hilft der Entwicklung einer vom politischen Tagesgeschäft unabhängigen internationalen Justiz, die über die Staatsgrenzen hinweg der Willkür der Herrschenden Grenzen zieht.
Unabhängigkeit heißt: Die Justiz muß ihren Auftrag jenseits von politischem Opportunismus verfolgen. So waren Anklage und Urteil im Mykonos-Prozeß unangenehm für die deutsche Diplomatie, weil sie die Beziehungen zum Iran belasteten. Dennoch tat die Justiz das Richtige, als sie den Fall gegen die Wünsche Bonns bis zum Ergebnis führte.
Man darf von dem Tribunal nicht verlangen, politischen Imperativen zu folgen. Denn so verrät man die Idee einer unabhängigen internationalen Justiz. Der Vorwurf, hier werde im Auftrag der USA gehandelt, ist leichtfertig. Bislang gibt es kein Anzeichen, daß Frau Arbour sich der Agenda der Supermacht unterwirft.
Bleibt das Argument, nun seien Verhandlungen unmöglich. Auch das ist falsch. Denn Justiz und Diplomatie sind getrennt. So wie die Justiz unabhängig von der Politik handelt, ist auch die Diplomatie berechtigt, ein Ende des Krieges zu suchen, ohne sich von der Den Haager Aktion abwürgen zu lassen.
Wie sich die Anklage nun real auf die Verhandlungen auswirken wird, ist durchaus unklar. Miloevic' Haltung kann sich verhärten – vielleicht aber erhöht die Anklage auch den Druck und die Bereitschaft zum Einlenken. Die Folgen für Miloevic sind begrenzt: Er kann nicht mehr ins Ausland reisen. Aber reiselustig war er in den letzten Jahren ohnedies nicht. Die Den Haager Aktion ist auch das richtige Signal an die jugoslawische Bevölkerung. Es zeigt, daß der Weg nach Europa nur über die Ablösung des Miloevic-Regimes führt. Hüten sollte man sich freilich davor, in der Anklage eine späte Rechtfertigung für die Nato-Aktion ohne UN-Mandat zu sehen. Denn diese Angriffe sind und bleiben ein Akt der Lynchjustiz. Harald Müller
Der Autor ist Leiter der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen