: „Die meisten Huren führen ein Doppelleben“
■ Die Legalisierung der Prostitution spaltet die Szene: Die einen outen sich. Die anderen haben Angst davor, ihre zweite Existenz preiszugeben. Regine Laaser vom Hurenprojekt „Hydra“ zum Hurentag
Die Hurenbewegung fordert die Anerkennung ihres Berufes. Ihr Gewerbe gilt bis heute als „sittenwidrig“. Prostituierte sind von Sozialversicherungen ausgeschlossen und können ihren Lohn nicht einklagen. Auch Bordelle sind verboten – „Förderung der Prostitution“ lautet der Paragraph im Strafgesetzbuch. Die Grünen wollen ihn streichen. Die SPD will nur die „Sittenwidrigkeit“ aufheben.
taz: Bewegt sich schon etwas in der deutschen Hurenpolitik?
Wir sind eher enttäuscht. Im Koalitionsvertrag steht, die rechtliche Situation der Prostituierten müßte verbessert werden, aber jetzt sind plötzlich alle anderen Sachen wichtiger.
Die SPD hat moralische Bedenken?
Die Angst ist, daß mehr Frauen in die Prostitution einsteigen und daß sie, wenn die Arbeitsbedingungen gut sind, nicht wieder aussteigen. Das wäre eben eine „Förderung der Prostitution“. Das wollen auch wir nicht. Da wir aber Prostitution nicht abschaffen können, ist es falsch, die Frauen zu kriminalisieren.
Sie wollen keine Prostitution? Aber Hydra kämpft doch für die Anerkennung als Beruf ?
Weil wir die Realität sehen: Männer kriegen ihr Triebleben im Moment nicht anders geregelt. Das finden wir natürlich auch nicht schön, weil es ausbeuterisch ist. Auch die Frauen finden „Hure sein“ nur eine Zeitlang spannend und genießen den finanziellen Luxus. Irgendwann merken alle, daß sie ständigen Mißbrauch mit ihrem eigenen Körper betreiben.
Die Basis macht politisch Druck?
Na ja, es gibt auch bei den Prostituierten große Ängste, was die Legalisierung angeht.
Heißt das, die Aktivistinnen von Hydra fordern etwas, was die Huren gar nicht wollen?
Völlig dagegen sind sie nicht, es steht fünfzig-fünfzig. Die Transparenz würde dazu führen, daß die Frauen erfaßt werden, sie müßten sich dann mit steuerrechtlichen und sozialversicherungsrechtlichen Fragen auseinandersetzen, wenn sie in Bordellen arbeiten ...
... mit Scheinselbständigkeit.
Ja, zum Beispiel. Das Schlimmste für die meisten ist: Sie müssen sich dann outen. Das ist ein richtiges Problem. Die allermeisten führen jetzt ein Doppelleben.
Was würde die Legalisierung für Migrantinnen bedeuten, die hier als Prostituierte arbeiten?
Es wäre nicht für alle gut: In Holland, wo die Prostitution legalisiert wurde, sind die illegalisierten Frauen ohne Aufenthaltsrecht verschwunden. Die legal hier lebenden Ausländerinnen könnten dann ihre Arbeit nachweisen, eine Arbeitserlaubnis bekommen – und nicht mehr ausgewiesen werden. Für die Legalen wird es ein bißchen einfacher, für die Illegalisierten schlechter.
Wie ist die Zusammenarbeit?
Das war lange sehr schwierig. Denn die Frauen haben ja auch die Preise total verdorben – unschuldig natürlich. Aber die Deutschen waren sauer. Inzwischen hat man sich ein bißchen zusammengerauft. Die Märkte sind klarer aufgeteilt. Wenn die Männer nun mal Thaifrauen wollen, können die deutschen Huren nichts daran ändern.
Es heißt, das seien Zwangsprostituierte, die mit falschen Versprechungen hergelockt wurden.Wie schätzen Sie das Verhältnis zwischen freiwillig und unfreiwillig ein?
Wir haben in Berlin rund 70 Prozent Ausländerinnen. Schätzungsweise die Hälfte von ihnen sind illegal da, davon wieder zwei Drittel durch Zwangsprostitution. Das heißt nicht, daß sie nicht wußten, was sie erwartet. Viele haben ja auch schon in ihrer Heimat als Prostituierte gearbeitet, aber hier werden sie dann weiter erpreßt: Etwa damit, daß sie irgendwelche phantastischen Schleppergebühren abarbeiten sollen.
Sie sagten, man könne den Bedarf an Prostitution nicht ändern. Gibt es Projekte, die auch mit Männern arbeiten?
Wir hatten auch schon Ausstiegsberatungen für Freier. Gerade in Berlin gibt es massenweise Freier, die haben keinen Kontakt zu anderen Frauen mehr. Und so ein Halbstundenkontakt ersetzt natürlich keine Beziehung. Wir haben die in Therapien vermittelt. Aber die Prostituierten sagten: Spinnt ihr, bei uns laufen die Geschäfte schlecht, und bei euch sitzen die Freier auf der Couch! Das haben wir eingesehen.
Interview: Heide Oestreich
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