: Kühlturm versus „Blauer Diamant“
■ Tempodrom-Chefin legt drei neue Entwürfe für Kulturzelt am Anhalter Bahnhof vor. Als Favorit gilt der „Kühlturm“ des Hamburger Büros von Gerkan. Frei Otto wirft das Handtuch
Beim Architekturwettbewerb für das Neue Tempodrom am Anhalter Bahnhof zeichnet sich eine Entscheidung zugunsten der Pläne des Hamburger Büros von Gerkan, Marg und Partner (gmp) ab. Zwar wollte sich gestern bei der Vorstellung der drei neuen Entwürfe – von Jutta Kalepky (Berlin), Frei Otto (Stuttgart) sowie gmp – Tempodrom-Chefin Irene Moessinger nicht festlegen. Es gilt jedoch als sicher, daß der Hamburger Entwurf den Zuschlag erhält. Noch während der Präsentation zog sich Frei Otto aus dem Wettbewerb zurück. Außerdem ist bekannt, daß Projektleiter Roland Specker die Pläne von Gerkans favorisiert. Specker hatte eigens im Frühjahr gmp ins Tempodrom-Boot geholt und zu einer Planung aufgefordert.
Die Entwürfe werden nun auf ihre Finanzierbarkeit geprüft. Die endgültige Entscheidung will der Stiftungsrat in Absprache mit dem Bezirk Kreuzberg sowie der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung am kommenden Dienstag fällen, sagte Moessinger.
Nach Ansicht von Moessinger sei das neue Verfahren nötig geworden, da zuvor weder der Entwurf Kalepkys noch der geplante Kulturbau Ottos zu einem befriedigenden Ergebnis geführt hätten. Insbesondere Frei Ottos membranes Zeltdach konnte die finanziellen Vorgaben für das rund 30 Millionen Mark teure „Öko-Projekt“ mit 3.500 Plätzen nicht erfüllen. Der Baubeginn ist für dieses Jahr vorgesehen, die Eröffnung soll im Herbst 2001 stattfinden.
Gerkans Entwurf sieht vor, das Gelände am Anhalter Bahnhof mit einem großen Plateau zu überbauen. Auf diese Fläche, unter der sich das Foyer, die Büroräume, Gastronomien, Backstagebereiche und das Liquidrom befinden, führen riesige Treppenanlagen hinauf. Über der runden Arena, die im Zentrum der Anlage liegt, erhebt sich ein 30 Meter hoher Zylinder „mit einem an die Zeltform angelehnten hölzernen Faltdach“, sagte von Gerkan. Über eine Öffnung im Zenit falle Tageslicht in die große Arena, die zudem über eine Dachterrasse eine Verbindung ins Freie erhalte, so der Architekt.
Während Moessinger keine Stellungnahme zu dem Entwurf abgeben wollte, zeigte sich Kreuzbergs Bürgermeister Franz Schulz von dem Gerkan-„Kühlturm“ angetan. Insbesondere der „öffentliche Charakter“ der Treppenanlage und des Plateaus seinen überzeugende Lösungen. Außerdem stelle der Entwurf eine Verbindung zu der Freifläche am Anhalter Bahnhof her. Unterstützung fand Schulz bei Specker, der den gmp-Entwurf „sympathisch“ fand.
Dem Stiftungsrat wird auch der Kalepky-Plan vorliegen, dessen ökologische Vorteile nicht von der Hand zu weisen sind. Kalepky plädiert als Dachvariante für eine freitragende Holzkonstruktion in sogenannter Sandwichplattenbauart. Die Oberfläche ist mit blauen Photovoltaikmodulen gedeckt, weshalb die Architektin ihre Idee „Blauer Diamant“ nennt. Rolf Lautenschläger
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