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EU hat Futterkontrolle verschlafen

Trotz Mahnung des Parlaments gibt es in der EU bisher keine Regeln für Tierfutter. Woraus es besteht und wer es herstellt, muß nicht deklariert werden  ■   Von Matthias Urbach

Berlin (taz) – Die EU-Kommission hat aus dem BSE-Skandal nichts gelernt – das zeigt die Affäre um die Dioxinhühner. So hat der BSE-Untersuchungsausschuß des Parlaments bereits in der Vergangenheit eine Deklarierungspflicht für die Zutaten in Tierfutter gefordert. Bislang muß nur der Nährstoffgehalt angegeben werden, aber nicht, woher die Fette und Eiweiße stammen. Die EU-Kommission hat dieser Forderung zwar nach langem Zögern zugestimmt, aber bisher keine solche Gesetzesvorlage produziert.

So stammte etwa der Fettanteil des dioxinverseuchten belgischen Hühnerfutters aus beigemischtem aufbereitetem altem Bratfett. Laut einem Untersuchungsbericht des belgischen Landwirtschaftsministeriums, der der taz vorliegt, ergab sich Mitte April, daß der Betrieb Verkest „ebenfalls Fette gewonnen hat, die von kommunalen Containerplätzen stammten, wo durch Einzelpersonen selektive Sammlungen von Frittierfetten angeliefert wurden“. Offenbar hatte die Firma gar keinen Überblick, woher ihre Rohstoffe genau stammten und ob nicht eine der „Einzelpersonen“ noch etwas anderes beigemengt hat. Stünde auf der Packung unter Zutaten „aufbereitetes Bratfett“, würde sich vielleicht mancher Landwirt überlegen, ob er das Futter kauft.

Diese Anonymisierung des Hühnerfutters begünstigt die Neigung der Hersteller, möglichst billige Zutaten einzukaufen. Und sieverdrängt die regionalen Hersteller vom Markt, die ihr Hühnerfutter herkömmlich aus Getreide (zum Teil Mais) und einer proteinhaltigen Beimengung (Erbsen oder Soja) herstellen. Inzwischen wird das Getreide mehr und mehr ersetzt durch billige Beimengungen wie Tapiokastärke, Sojamehl, Kartoffelstärke, Extrakte aus der Ölpressung, aber auch tierische Schlachtabfälle als Eiweißzugabe. Tierische Fettzugaben werden nötig, um den Nährwertverlust auszugleichen. Weil aber die Hühner diese Kost nicht so gut vertragen, mengen viele Hersteller auch noch Leistungssteigerer wie Antibiotika bei.

Grundsätzlich darf alles, was ernährungsphysiologisch sinnvoll ist, verfüttert werden – ein dehnbarer Begriff. Auch Fritierfett ist in Deutschland erlaubt, soweit es ordentlich gereinigt ist.

Im Falle des belgischen Dioxinfutters hatte die Firma Verkest das Fett in den Niederlanden gekauft, aufbereitet und weiterverkauft an acht Viehfutterhersteller in Belgien, einen in Frankreich und einen in Holland. Und der Landwirt am Ende bekommt nur die Nährwertprozente angegeben.

„Je größer der Prozentsatz der anonymisierten Produktion“, urteil der grüne Europaabgeordnete Friedrich Wilhelm Graefe zu Baringdorf, „desto größer die Gefahr solcher Skandale – wir hatten schon Nikotin im Futter, und wir hatten den Rinderwahn.“ Und im Gegensatz zu einem regionalen Vermarkter, bei dem keiner mehr kauft, wenn er einmal betrügt, bleibe solch anonymen Firmen eine Pleite meist erspart. Baringdorf, der stellvertretender Agrarausschußvorsitzender des Europaparlaments ist, fordert daher endlich eine offene Deklarierung, wie sie in Deutschland in den Siebzigern noch üblich war. „Bei anonymer Deklarierung herrscht der Wettbewerb nur über den Preis“, sagt Baringdorf, „nicht über Qualität.“

Der grüne Agrarexperte vermißt auch ausreichende Kontrollen, die die abgeschafften Zollkontrollen im EU-Binnenhandel ersetzen. Am besten beim Produzenten und beim Empfänger, um die „Kumpanei zwischen den Kontrollbehörden und ihren jeweils heimischen Unternehmen aufzubrechen“.

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