Frieden macht russische Militärs heiß

■ Wiktor Tschernomyrdin schlägt nach erfolgreicher Mission zuhaus der kalte Hauch der Ablehnung entgegen. Lob aus den USA entfacht einen Sturm des Widerspruchs

Weder fröhlich fahnenschwenkende Kinder noch eine hochkarätige Regierungsdelegation begrüßten Wiktor Tschernomyrdin, als er nach erfolgreicher Mission auf dem Flughafen Wnukowo bei Moskau eintraf. Unter dem Oberbefehl namhafter Militärs eröffnete die nationalistische und kommunistische Opposition eine zweite Balkanfront, diesmal auf heimischem Territorium.

Als erster vergaß Generalleutnant Leonid Iwaschow, der Leiter der Internationalen Abteilung im Verteidigungsministerium, das Gebot, wonach sich Militärs in politische Fragen nicht einzumischen haben. Neben Tschernomyrdin stehend, zürnte der General:“ Wir Militärs sind zutiefst unzufrieden mit mit vielen Punkten der Vereinbarung“. Ganz besonders mißfiel dem als Falken verschrienen General die „aufgezwungene Rolle der Nato und Rußlands verringerte Bedeutung bei der Konfliktregulierung“.

Tschernomyrdin traf die ätzende Kritik zuhause nicht ganz unvorbereitet. Noch in Bonn soll Tschernomyrdin den Militärs Konsequenzen angedroht haben, wenn sie sich einer Einigung in Belgrad widersetzen würden. Dennoch schien sich der sonst vor Selbstbewußtsein strotzende ehemalige Ministerpräsident, dem nach wie vor Ambitionen auf die Jelzin-Nachfolge nachgesagt werden, nicht ganz wohl in seiner Haut zu fühlen. Um aus der Defensive herauszugelangen, holte er Jelzin als Verantwortlichen mit ins Boot:“ Rußland hat sich nicht von den Prinzipien entfernt, die unter der Leitung des Präsidenten ausgearbeitet worden sind“, sagte er gleich nach seiner Ankunft.

Das US State Department ließ unterdessen - denkbar ungelegen - auch einige anerkennende Worte zur russischen Vermittlerrolle fallen: „Die diplomatische Anstrengung der Russen haben gewirkt. Wir glauben, sie haben eine entscheidende Rolle gespielt, weil sie den Serben gezeigt haben, daß es eine vereinigte Front aus Rußland, Europa und den USA gibt“.

Wer mit den USA und Europa unter eine Decke schlüpft, kann sich damit in Rußland im Moment nicht profilieren. Kommunistenchef Gennadi Sjuganow hatte den Sonderemissär diese Woche bereits öffentlich einen „Sonderverräter“ geziehen, der die Aufträge Madeleine Albrights ausführe und russische Interessen auf dem Balkan verkaufe. Der Vorsitzende der Fraktion der Agrarier Charitonow fühlte sich gar an die „Münchner Konspiration“ erinnert,- womit er das Münchner Abkommen 1938 meinte -, dessen beschwichtigender Charakter in der etwas eigenwilligen historischen Lesart des Parlamentariers nun dem Walten der Nato Tür und Tor öffne.

Präsident Jelzin hatte bewußt Wiktor Tschernomyrdin mit der Mission beauftragt, da er die Beziehungen zum Westen aus ideologischen Motiven nicht aufs Spiel setzen würde und an Kooperation festhält. Zwischenzeitlich hatte auch das Außenministerium unter Minister Igor Iwanow versucht, einen eigenen Friedensplan zu lancieren. Der ging von Maximalpositionen aus und sah vor, Natotruppen lediglich in Albanien und Mazedonien zu stationieren. Diesen Plan akzeptierte die Nato nicht. Jelzins Emissär entschied sich dafür, trotzdem nicht aus der Vermittlerrolle auszusteigen, sondern mit der Allianz zu kooperieren. Klaus-Helge Dontah, Moskau