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Bilder werden breit

■  Wer lange aufbleibt, kann heute nacht wieder einen Satz schöner kurzer Animationsfilme sehen (0.40 Uhr, Arte)

Arte pflegt eine schöne Tradition: Wenn das größte Animationsfilmfestival Europas in Annecy zu Ende gegangen ist, zeigt der Sender eine Auswahl zeitgenössischer Trickfilme. Der Sendetermin ist gut gewählt – er verschafft den Besuchern des Festivals die Möglichkeit, nach ihrer Rückreise einen zusätzlichen animierten Abend zu verbringen.

Aus medizinischer Sicht ist das sinnvoll, weil das Filmangebot in Annecy dazu verleitet, die Grenzen der Aufnahmefähigkeit neu zu definieren. Wer will, kann seinen Tag mit dem Besuch einer Galerie beginnen, die Zeichnungen oder Skulpturen von Animationsfilmern ausstellt; anschließend steht dann die erste von mehreren Retrospektiven auf dem Programm. Bevor man dann die Panorama-Reihe besucht, setzt man sich in ein Café, sonnt sich ein wenig und führt – ganz anders als daheim, wo nur Trickfilm-Monologe möglich und nicht sehr gefragt sind – Gespräche mit anderen Aficionados.

In diesem Rahmen würde zum Beispiel die Frage behandelt werden, ob der holländisch-kanadische Animationsfilmprofessor Paul Driessen nicht endlich den großen Preis von Annecy gewinnen sollte. Vielleicht gelang es ihm mit seinem schönen neuen Film „3 Misses“, der im diesjährigen Wettbewerb zu sehen war. Andererseits war die Konkurrenz groß: Auch „Pinocchio“ von Gianluigi Toccafondo wurde als Favorit gehandelt. Eigentlich könnte aber auch ein neuer Preis eingeführt werden, der Driessens Lebenswerk würdigt oder wenigstens seinen eigenwilligen Stil und seinen Humor. Die Angelegenheit würde an dieser Stelle vorläufig vertagt werden.

Spät in der Nacht käme es dann zu einer Diskussion über 90-mm-Filme: Wo lohnt die Breitleinwand, wo ist sie überflüssig? Bei „Transit“ von Piet Kroon etwa macht sich das Format gut, vor allem, weil der Film seine Geschichte rückwärts erzählt und dem Zuschauer volle Konzentration abverlangt.

Wie das wohl im Fernsehen aussieht? Das werden wir heute bei Arte überprüfen. Alle, die noch unter Trickfilm-Entzug leiden, und alle, die in diesem Jahr zum ersten Mal nach langer Zeit nicht nach Annecy fahren konnten. Die sich zwar freuen, daß Arte eine Stunde lang Animationsfilme zeigt, darunter auch die soeben erwähnten, für die eine einzige Stunde aber doch nur ein schwacher Trost ist.

Wir müssen schließlich nicht mehr missioniert werden – wir wollen einfach viel mehr Filme gucken. Carola Rönneburg

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